Manfred Börgens Mathematik auf Briefmarken # 128 |
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Deutschland 1955 Michel 225 Scott B347
Mathematikerinnen
Folge 4
Florence Nightingale (1820 - 1910)
In früheren Zeiten, und teilweise bis heute, war es für Frauen schwer oder unmöglich, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen. Dies gilt auch für die Mathematik. Es ist aber anzunehmen, dass sich mathematisches Talent bei Frauen etwas leichter entfalten konnte als eine naturwissenschaftliche Begabung, da letztere in der Regel einen Zugang zu Laboren benötigt, der Frauen vielfach verwehrt blieb. Mathematik lässt sich auch im Stillen ausüben. Viel schwerer ist es allerdings, eine öffentliche Wirkung eigener Forschung zu entfalten; das zeigen einige der hier vorgestellten Lebensläufe von Mathematikerinnen auf. In jüngerer Zeit findet man aber zunehmend erfolgreiche akademische Karrieren von Mathematikerinnen; einige von ihnen werden mit Briefmarken in dieser Reihe geehrt.
Der Begriff der "Mathematikerin" soll hier nicht allzu eng gefasst werden. Der Bezug der Frauen in dieser Reihe zur Mathematik ist mal mehr und mal weniger ausgeprägt und manchmal nur durch die Anwendung der Mathematik in anderen Gebieten bestimmt. Die Reihe wird in unregelmäßigen Abständen weitergeführt werden. |
Folge 1 Maria Mitchell
Folge 2 Maria Agnesi Folge 3 Sophie Germain |
Die Briefmarke wurde von der noch jungen Bundesrepublik ausgegeben und zeigt ein Portrait der Engländerin Florence Nightingale. Die Marke ist in ihrer Schlichtheit sehr ansprechend.
Florence Nightingale hat ihr Leben der Krankenpflege und Gesundheitsfürsorge gewidmet und dabei umfassende Reformen durchgesetzt. Sie wird in diese Reihe von Frauen in der Mathematik aufgenommen, weil sie Pionierarbeit in der beschreibenden Statistik geleistet hat.
Die junge Florence zeigte mathematische Begabung und mathematisches Interesse, studierte die Elemente des Euklid und zeitgenössische mathematische Literatur – aber die Aufnahme eines Studiums der Mathematik wurde ihr verwehrt. Sie erreichte aber, dass sie Privatunterricht erhielt. Einer ihrer Tutoren war James Joseph Sylvester, der ihr mathematisches Talent erkannte und förderte.
Im Alter von 29 Jahren erwachte ihr Interesse an der Krankenpflege. Sie ließ sich in Ägypten, Deutschland und Frankreich zur Krankenschwester ausbilden und wurde während des Krimkriegs als "Superintendent" mit der Administration des Pflegepersonals in den britischen Militärlazaretten betraut. Als "Lady with the Lamp" brachte sie den verwundeten Soldaten bei ihren nächtlichen Rundgängen Mitgefühl und Trost.
Ihre mathematischen Kenntnisse setzte Florence Nightingale während des Krieges und später nach ihrer Rückkehr nach England auf eine Weise ein, die damals noch nicht sehr verbreitet war. Sie verwendete statistische Beschreibungen, um die britische Regierung und die Allgemeinheit von der Notwendigkeit durchgreifender Reformen in den Kliniken und bei der Gesundheitsprophylaxe zu überzeugen. Die Neigung zur Statistik ging auf ihre Studien der Werke des belgischen Mathematikers Adolphe Quetelet zurück. Diese waren Mitte der 1850er Jahre noch relativ neu – Quetelet hatte 1835 sein Hauptwerk über statistische Daten veröffentlicht, die an Menschen erhoben worden waren. Florence Nightingale erkannte, dass die Visualisierung dieser Daten in Diagrammen entscheidend zum ihrem Verständnis beitrug.
Der Einsatz statistischer Methodik begann für Florence Nightingale mit der detaillierten Erhebung und systematischen Darstellung der Todesfälle in den Militärlazaretten – diese trug nachweislich zu hygienischen und organisatorischen Verbessungen und zu einer drastischen Senkung der Mortalitätsrate bei. Sie entschied sich, für die graphische Darstellung der Daten eine spezielle Form von Kreissektorendiagrammen zu verwenden, die wir im Folgenden Nightingale-Diagramme nennen wollen (engl. Polar Area Diagrams). Einen ersten Eindruck solcher Diagramme gewinnt man mit der hier gezeigten italienischen Briefmarke:
Italien 2020 Michel 4249 Scott 3691
Die Briefmarke zeigt Florence Nightingales Portrait neben dem Ponte Vecchio in Florenz, und oben links ein Nightingale-Diagramm. FNOPI steht für Federazione Nazionale Ordini Professioni Infermieristiche (Nationaler Verband der Pflegeberufs-Orden). Am 12. Mai 2020 richtete dieser Verband in Florenz den Jahrestag der Pflegekräfte aus und feierte damit gleichzeitig den 200. Geburtstag Florence Nightingales, die in Florenz geboren wurde.
Wir wollen den Aufbau von Nightingale-Diagrammen näher anschauen, auch im Vergleich zu den verbreiteten Tortendiagrammen:
Tortendiagramm Winkel |
Nightingale-Diagramm Radius |
||
60 % | 216° | √0,6 ≈ 0,775 | |
25 % | 90° | √0,25 = 0,5 | |
15 % | 54° | √0,15 ≈ 0,387 |
= Zustimmung | = Ablehnung | = keine Meinung |
Tortendiagramm Winkel |
Nightingale-Diagramm
Radius |
|||
20 % 40 % |
72° 144° |
0 .. √0,2 → 0 .. ~0,447
√0,2 .. √0,6 → ~0,447 .. ~0,775 |
||
16 % 9 % |
57,6° 32,4° |
0 .. √0,16 → 0 .. 0,4
√0,16 .. √0,25 → 0,4 .. 0,5 | ||
7,5 % 7,5 % |
27° 27° |
0 .. √0,075 → 0 .. ~0,274
√0,075 .. √0,15 → ~0,274 .. ~0,387 |
= Zustimmung | = Ablehnung | = keine Meinung |
= Frauen | = Männer |
Publiziert 2024-08-25 Stand 2022-11-23