Leonhard Euler (1707 - 1783)
Diese Folge von "Mathematik auf Briefmarken" hat ausnahmsweise viele Bilder. Hier kann man alle Marken, Stempel und Karten aus meiner Sammlung zu Leonhard Euler sehen, außerdem zwei Geldscheine.
Mehrere der philatelistischen Euleriana sind mathematisch und designmäßig von hoher Qualität und Schönheit. – Es ist bedauerlich, dass Euler von der Post im Deutschen Reich, in der Bundesrepublik (bisher) und in West-Berlin nicht gewürdigt wurde, obwohl er 25 Jahre in der früheren Reichs- und heutigen Bundeshauptstadt Berlin gewirkt hat. Die DDR hingegen hat Euler erfreulich viele Briefmarken und Sonderstempel gewidmet.
In dieser Briefmarken-Reihe gab es bereits eine Euler-Seite: Briefmarke # 2.
DDR 1950 Michel 261 Scott 58
Dies ist die älteste Euler-Marke in meiner Sammlung. Sie wurde anlässlich des 250-jährigen Bestehens der "Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin" ausgegeben. Diese Institution stand in der Tradition der "Preußischen Akademie der Wissenschaften", ursprünglich gegründet im Jahr 1700 als "Kurfürstlich Brandenburgische Societät der Wissenschaften". Leonhard Euler war von 1741 bis 1766 Mitglied der Akademie.
DDR 1957 Michel 575 Scott 353 UdSSR 1957 Michel 1936 Scott 1932
Diese beiden Marken wurden zu Eulers 250. Geburtstag ausgegeben.
Schweiz 1957 Michel 648 Scott B267
Auch diese Briefmarke erschien zum 250. Geburtstag Eulers. Sie zeigt die Euler'sche Formel eiφ = cos φ + i sin φ , die den Zusammenhang der komplexen Exponentialfunktion mit den trigonometrischen Funktionen beschreibt. Die Schweizer Post hat Bögen mit diesen Marken ausgegeben, deren Rand mit einer mathematischen Formel bedruckt ist. Dies sieht man im rechten Bild; gezeigt wird die Entwicklung der Sinus-Funktion als Maclaurin'sche Potenzreihe sin x = Σn≥0(-1)n x2n+1/(2n+1)! .
DDR 1983 Michel 2825 Scott 2371
Zum 200. Todestag Eulers hat die DDR diese Marke und die beiden Sonderstempel ausgegeben. Man sieht zweimal die Euler'sche Polyederformel e - k + f = 2 , die den Zusammenhang von Ecken, Kanten und Flächen in Polyedern darstellt. Zur Illustration dieser Formel sieht man auf der Marke ein Ikosaeder und auf dem Stempel einen Würfel. Der rechte Stempel zeigt einen Spezialfall der Euler'schen Knickformel zum Knickverhalten elastischer Stäbe im Rahmen der Stabilitätstheorie.
Schweiz 2007 Michel 1998
Zu Eulers 300. Geburtstag hat die Schweiz diese Marke und den zugehörigen Ersttagsstempel ausgegeben. Man sieht wieder die Euler'sche Polyederformel , die auf der Briefmarke durch ein unregelmäßiges Polyeder illustriert wird.
Die Ausgabe des Ersttagsbriefs fand in Basel statt, wie der Stempel zeigt. Das hat seinen Grund: Leonhard Euler wurde in Basel geboren. Obwohl er nach seinem 19. Lebensjahr nicht mehr in die Stadt zurückkehrte, hielt er lebenslang an seinem Baseler Bürgerrecht fest.
Guinea-Bissau 2009 Michel 4448
Auf dieser Marke findet sich die einzige mir bekannte Stelle, an der ein zweiter Vorname Eulers auftaucht (Paul). Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass Leonhard Eulers Vater den Vornamen Paul trug.
Südkorea 2014 Michel 3002
Der 27. Internationale Mathematikerkongress (ICM) fand 2014 in Seoul, Südkorea statt. Zu diesem Anlass wurden drei Briefmarken mit sehr ansprechendem mathematischen Inhalt herausgegeben. Eine davon ist hier abgebildet; sie zeigt das Königsberger Brückenproblem . In der ostpreußischen Stadt Königsberg, die von dem Fluss Pregel in vier Quartiere – davon eine Insel – unterteilt wurde, stellte man sich die Frage, ob es einen Weg gibt, auf dem man alle sieben Brücken genau einmal überqueren kann. Auf der Briefmarke und der Karte sind die Quartiere mit A-D und die Brücken mit a-g bezeichnet. Euler bewies 1736, dass ein solcher Weg nicht existiert. Er konnte nämlich zeigen:
- Ein Rundweg, der jede Brücke genau einmal überquert, kann nur dann existieren, wenn zu jedem Gebiet eine gerade Anzahl von Brücken führt.
Übersetzt man diesen Sachverhalt in die Graphentheorie, so werden die Quartiere zu Knoten und die Brücken zu Kanten. Ein solcher Rundweg wird Eulerkreis genannt.
- Ein Weg, der jede Brücke genau einmal überquert, aber kein Rundweg ist, kann nur dann existieren, wenn zu zwei Gebieten eine ungerade und zu allen anderen Gebieten eine gerade Anzahl von Brücken führt.
In der Graphentheorie wird ein solcher Weg Eulerpfad genannt.
Nun führte aber zu allen vier Quartieren eine ungerade Zahl von Brücken (nämlich jeweils drei oder fünf, siehe Briefmarke und Karte), so dass mit Eulers Beweis das Königsberger Brückenproblem gelöst war.
Die beiden anderen Briefmarken, die zum ICM 2014 ausgegeben wurden, zeigen den Satz von Pythagoras und das Pascal'sche Dreieck.
Südkorea 2014
Zum ICM 2014 wurde außerdem diese schöne Karte ausgegeben. Auf der Vorderseite ist neben dem Portrait die Euler'sche Formel eingedruckt. Die Rückseite zeigt links oben die geometrische Veranschaulichung dieser Formel und daneben den Spezialfall für φ = π , also die Euler'sche Identität eπ·i + 1 = 0 . Darunter sieht man nochmal die Königsberger Brücken.
Der Tschad hat 2015 eine Euler-Marke herausgegeben, die ein weniger bekanntes, dafür aber umso interessanteres Motiv zeigt: Die Eulergerade im Dreieck.
Tschad 2015 Die Höhenlinien wurden nachgezeichnet; sie sind auf der Marke vorhanden, aber nur schwer erkennbar.
Das Dreieck auf der Briefmarke soll nun erklärt werden:
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Hier wird zunächst das Dreieck besser lesbar dargestellt.
Eingezeichnet sind die Eulergerade und der Feuerbachkreis.
Auf der Eulergeraden liegt der Schnittpunkt H der Höhenlinien (in orange).
Die Punkte G und Ω werden auf der Marke nicht erklärt; dies wird in den beiden nächsten Graphiken nachgeholt.
Die Punkte Hi sind die Fußpunkte der Höhenlinien, die Punkte Ii sind die Seitenmittelpunkte.
Der Feuerbachkreis wird auch Neun-Punkte-Kreis oder Eulerkreis genannt. Er verläuft durch die Punkte Hi und Ii sowie durch Ji , die Mittelpunkte der Strecken von den Ecken nach H .
Eulergerade (Wikipedia)
Eulergerade (MathWorld)
Feuerbachkreis (Wikipedia)
Feuerbachkreis (MathWorld)
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Der Punkt Ω auf der Eulergeraden ist der Schnittpunkt der Mittelsenkrechten.
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Der Punkt G auf der Eulergeraden ist der Schnittpunkt der Seitenhalbierenden.
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Die Eulergerade verläuft nicht nur durch die drei Punkte H, Ω und G , die auf der Marke eingezeichnet sind, sondern auch durch den Mittelpunkt des Feuerbachkreises, in der Graphik mit M markiert. M halbiert die Strecke zwischen H und Ω .
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Es wurden bereits mehrere Privatmarken zu Leonhard Euler ausgegeben. Diese sind offiziell zur Frankierung nutzbar und sollten deshalb zumindest in der Motiv-Philatelie nicht ignoriert werden. Von den zahlreichen deutschen Privatmarken sollen beispielhaft zwei Briefmarken mit mehreren Formeln gezeigt werden:
In der linken Marke ist in der unteren Formel Hn die n-te harmonische Zahl Σk=1..n 1/k und γ ≈ 0,577 die Euler-Mascheroni-Konstante. – In der rechten Marke ist ζ die Riemannsche Zeta-Funktion (→ Wikipedia → MathWorld).
Bei der folgenden Marke ist unsicher, ob es sich um eine offizielle oder eine private Marke handelt (offizielle moldawische Marken tragen in der Regel das Ausgabejahr).
Als letztes Euler-Fundstück wird ein Briefumschlag gezeigt, der Marke und Stempel aufweist, die oben schon dargestellt wurden, aber darüber hinaus ein geprägtes Profilbild von Euler.
Zum Schluss verlassen wir die Philatelie und schauen uns Schweizer Banknoten an, die Portraits sowie Werke von Euler zeigen.
Schweiz 1976
Zu Eulers Zeit unterschied man nicht streng zwischen Mathematik und Physik, und zur Physik zählten auch Astronomie und Kosmologie. So verwundert es nicht, dass Euler sich zahlreichen physikalischen Problemen widmete und seine mathematisch-physikalischen Fähigkeiten beispielsweise auf Gebiete wie die Bahnbestimmung von Kometen und anderen Himmelskörpern sowie die Berechnung der Sonnenparallaxe anwandte. Die Rückseite des Geldscheins erinnert mit einer stilisierten Darstellung des Planetensystems daran; sie enthält die stark exzentrische Umlaufbahn eines Kometen.
Schweiz 1984
Dieser Geldschein wurde nie in Umlauf gebracht. Er gehörte zu einer Serie mit einer etwas kuriosen Geschichte. 1984 druckte die Schweiz zum zweiten Mal (nach 1938) Banknoten für eine "Geheimreserve", die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Diese Banknoten wären eingesetzt worden, falls die aktuell gültigen Noten massenhaft gefälscht worden wären. Dahinter steckte die Befürchtung, dass diese aktuellen Geldscheine (von 1976) keine ausreichenden Sicherheitsmerkmale aufwiesen. Diese Befürchtung erwies sich als unbegründet, und so blieben die "alten" Euler-Geldscheine (von 1976, siehe oben) bis 1995 in Umlauf.
Es ist sehr schade, dass die 10-Franken-Note von 1984, die Leonhard Euler gewidmet war, nicht ausgegeben wurde. Sie hatte einen sehr hohen mathematischen Gehalt. Selbst wenn man annehmen muss, dass insbesondere die Rückseite vielen Schweizerinnen und Schweizern unerklärlich geblieben wäre, so hätte doch dieser Geldschein als ein populäres Werbemittel für die Mathematik gedient und wohl auch ein wenig die Neugier geweckt, zumal Euler eine Schweizer Ikone ist.
Die Vorderseite der Banknote zeigt neben Eulers Portrait ein Ikosaeder, sicherlich als Hinweis auf die Euler'sche Polyederformel, die weiter oben bei den Briefmarken eine wesentliche Rolle spielt.
Die Gestaltung der Rückseite ist überraschend und für Mathematik-Ästheten hoch erfreulich. Man sieht im Vordergrund die Gamma-Funktion in Eulers Handschrift und im Hintergrund eine Tabelle für spezielle Partitionen natürlicher Zahlen.
Gamma-Funktion : Ausgangspunkt für die Gamma-Funktion ist das Produkt der ersten n natürlichen Zahlen 1·2·3 ··· n , abgekürzt n! (Fakultät). Dieses Produkt, eingebettet in lateinischen Text, fällt als erstes auf der Banknote ins Auge; es entstammt einer Publikation Eulers, die er 1729 der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg vorgelegt hat. Der lateinische Text besagt, dass sich n! als das folgende Integral darstellen lässt:
∫∂x(-lx)n
Dieses Integral, auf der Banknote in Eulers Handschrift, wird in moderner Notation so geschrieben:
0∫1(-ln x)n dx
Der große griechische Buchstabe Γ , der den Formeln in Grau hinterlegt ist, steht für die Gamma-Funktion, die mit der Fakultät und dem Integral im Zusammenhang steht:
n! = 0∫1(-ln x)n dx = Γ(n+1)
Weiterführend über diesen Zusammenhang zwischen Fakultät und Gamma-Funktion – in dem n eine natürliche Zahl ist –  wird die Gamma-Funktion zu einer komplexen Funktion, indem n durch z ∈ C ersetzt wird.
Partitionen : Leonhard Euler hat auch zu Zerlegungen natürlicher Zahlen in Summanden, den Partitionen, grundlegende Forschungsbeiträge geliefert. Hinter den Ausführungen zur Gamma-Funktion erkennt man eine Tabelle, die teilweise verdeckt und wie folgt aufgebaut ist: Am oberen Rand stehen die Zahlen n = 0,1,2,... , am linken Rand die Zahlen m = 1,2,3,... . Die Tabellenfelder in der n-ten Spalte und der m-ten Zeile enthalten jeweils zwei übereinanderstehende Zahlen, die die Anzahl bestimmter Partitionen angeben. Oben steht die Anzahl der Partitionen von n mit genau m positiven Summanden; unten steht die Anzahl der Partitionen von n mit maximal m positiven Summanden. Das soll anhand des rechten unteren Tabellenfeldes verdeutlicht werden. Es steht in der 13. Spalte und der 8. Zeile:
.... 13
.
.
8 ... 7 Es gibt 7 Möglichkeiten, 13 in genau 8 Summanden zu zerlegen.
89 Es gibt 89 Möglichkeiten, 13 in maximal 8 Summanden zu zerlegen.
Planetensystem : Mittig rechts ist ein kleines stilisiertes Planetensystem mit einem zunehmenden Mond eingezeichnet, um Eulers Leistungen in der Astronomie zu würdigen.
Publiziert 2024-11-10 Stand 2023-01-19
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