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2023-02-06                                                                 Kommentare sind willkommen.


Leonhard Eulers Reise 1727 durch die Wetterau auf dem Weg nach St. Petersburg


Einführung

Dieser Blogbeitrag ist die leicht überarbeitete Version eines historischen Aufsatzes, der gemeinsam verfasst mit Jürgen Wagner im April 2007 unter dem Titel  Zu Friedberg aß ich zu Mittag  in der Reihe Literarische Wetterau der Wetterauer Zeitung [8] erschien und später, etwas erweitert, als Band 17 in die Friedberger Hochschulschriften der Fachhochschule Gießen-Friedberg (heute Technische Hochschule Mittelhessen) aufgenommen wurde.

→  Originalversion [1]

Der Beitrag erschien aus einem damals aktuellen Anlass: 2007 war das Euler-Jahr [4], in dem sich der Geburtstag Leonhard Eulers zum 300. Mal und seine Reise nach St. Petersburg zum 280. Mal jährten. In diesem Jahr fanden an zahlreichen Hochschulorten, auch in Friedberg, Veranstaltungen statt, um Euler und sein Werk einer breiteren Öffentlichkeit und insbesondere Schülerinnen und Schülern zugänglich zu machen [5].

Man kann schon dem Titel dieses Beitrags entnehmen, dass er einen starken Lokalbezug hat. Die Wetterau im Herzen Hessens ist der berufliche Wirkungsort der Verfasser, und Friedberg in der Wetterau ist seit über 115 Jahren der Standort einer Hochschule, die in ihren MINT-Studiengängen naturgemäß stark auf den von Euler gelegten Grundlagen aufbaut. So trifft es sich glücklich, dass Friedberg in Eulers Tagebuch Erwähnung findet, was den Anstoß zu diesem Beitrag gab.

Der lokale Fokus ist sicherlich dominant, aber die Verfasser haben Wert darauf gelegt, die hier ausführlich dargestellte Facette aus Eulers Leben in einen allgemeineren Zusammenhang zu stellen, um einen kleinen Beitrag von allgemeinem Interesse zu seiner Biographie zu leisten.


Zu dieser Schrift

Der 19-jährige Leonhard Euler verließ im Jahr 1727 seine Heimatstadt Basel für immer. Er reiste per Schiff und Postkutsche nach St. Petersburg, um dort eine Stelle an der Akademie der Wissenschaften anzutreten. Diese Reise ist in den Biografien Eulers (z.B. [6], [7]) nur recht kursorisch beschrieben. Insbesondere gilt das für den Landweg, also die Postkutschenstrecke durch die deutschen Staaten von Mainz-Kastel nach Travemünde. Euler führte auf dieser Reise Tagebuch, das aber noch auf eine Edition wartet. G. K. Mikhailov hat in einem Tagungsbeitrag [2] anlässlich des 250. Geburtstags Eulers auf dieses Tagebuch aufmerksam gemacht und in dem schwer lesbaren Dokument, das heute im Archiv der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg aufbewahrt wird, wenigstens die Poststationen identifiziert. Der Tagungsband ist aus hessischer Sicht erfreulich ergiebig, denn dort findet man zwei faksimilierte Tagebuchseiten, die Eulers Wegstrecke zwischen Frankfurt und Einbeck im südlichen Niedersachsen beschreiben (11. - 14. April 1727, also unmittelbar vor seinem 20. Geburtstag). Die Entzifferung der Eintragungen ist nicht leicht, aber bis auf unbedeutende Details zu bewältigen.


Zu Friedberg aß ich zu Mittag

      Im April 1727 reist der Mathematiker Leonhard Euler mit der Postkutsche durch die Wetterau und hält diese Fahrt in seinem Tagebuch fest.


Im Jahr 1736 stand der berühmte Mathematiker Leonhard Euler vor einem Problem. In der ostpreußischen Stadt Königsberg, die von dem Fluss Pregel in vier Quartiere  –  davon eine Insel  –  unterteilt wurde, stellte man sich die Frage, ob es einen Rundweg gibt, auf dem man alle sieben Brücken genau einmal überqueren kann. Euler konnte beweisen, dass der gesuchte Rundweg nicht möglich war, da zu allen vier Gebieten von Königsberg eine ungerade Zahl von Brücken (nämlich jeweils drei oder fünf) führten. Das bis zu diesem Zeitpunkt ungelöste Rätsel, das noch heute Mathematik-Interessierte aus aller Welt in den Bann zieht, heißt "Königsberger Brückenproblem"; nur bei einer geraden Anzahl hätte es einen solchen Rundweg gegeben.

Königsberger Brücken

Die Königsberger Brücken


Als Euler neun Jahre zuvor von seiner Geburtsstadt Basel in der Schweiz nach St. Petersburg in Russland reiste, um dem Ruf der Zarin Katharina zu folgen und eine Professur an der Akademie der Wissenschaften anzunehmen, suchte er schon einmal den direkten Weg. Doch der war alles andere als geradlinig und vor allem zeitaufwändig: 50 Tage benötigte er für eine Strecke, die ein Flugzeug heute innerhalb weniger Stunden bewältigt. Doch wir schreiben das Jahr 1727, es war das Postkutschenzeitalter, und wer mit den Straßenverbindungen früherer Tage vertraut ist, der kann sich denken, dass dieser Weg durch die Wetterau führte. Das bislang unveröffentlichte Tagebuch Eulers gibt darüber Auskunft, und es verrät bei näherem Hinsehen mehr, als dort in wenigen Worten notiert ist.

Leonhard Euler, einer der bedeutendsten Mathematiker aller Zeiten, wurde am 15. April 1707 in Basel geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums nahm er Unterricht bei dem Mathematiker Johannes Burckhardt, studierte ab 1720 an der Universität Basel, wo er Privatvorlesungen von Johann Bernoulli hörte. 1723 erlangte er die Magisterwürde. Vier Jahre später folgte der Ruf nach St. Petersburg, und Euler verließ mit gerade einmal 19 Jahren seine Heimatstadt, die er nicht mehr wiedersehen sollte. Fast 15 Jahre lang wirkte er zunächst als Professor für Physik, später dann für Mathematik an der St. Petersburger Universität. 1741 wurde er von Friedrich dem Großen an die Preußische Akademie der Wissenschaften berufen. In Berlin blieb er 25 Jahre lang, ehe er 1766 nach St. Petersburg zurückkehrte. Hier starb er am 18. September 1783 im Alter von 76 Jahren an den Folgen einer Hirnblutung.

Euler Leonhard Euler im Alter von etwa 29 Jahren

Euler war nach dem einmütigen Urteil seiner Zeitgenossen ein warmherziger, bescheidener und großzügiger Mensch. Er war zweimal verheiratet und hatte 13 Kinder. Bereits in jungen Jahren hatte er starke Probleme mit dem Augenlicht und war ab 1740 halbseitig blind. 1771 erblindete er fast vollständig, trotzdem entstand nahezu die Hälfte seines riesigen Lebenswerks  –  kein Mathematiker war produktiver  –  in der zweiten Petersburger Zeit, wobei er Hilfe von zweien seiner Söhne erhielt.

Jeder Abiturient kennt beispielsweise die Eulersche Zahl  e ,  Grundlage der Logarithmenrechnung, und auch ein großer Teil der mathematischen Symbolik geht auf ihn zurück, etwa das Zeichen  π  für die Kreiszahl  pi  oder das Summenzeichen  Σ .  Wer den Mond beobachtet, kann dort übrigens den Krater Euler entdecken, der freilich nicht durch einen Aufprall des Asteroiden Euler entstand.

      Die Reiseroute

Im April 1727 kam Euler auf seiner Reise nach Russland durch Hessen. Die Details dieser Reise hat er in einem Tagebuch festgehalten. Zunächst die wichtigsten Stationen der Reise: Am 5. April 1727 erfolgte die Abreise von Basel; mit dem Schiff fuhr er auf dem Rhein nach Mainz, wo er am 9. April ankam. Er setzte mit der Rheinfähre nach Mainz-Kastel über und nahm ab dem 10. April eine Postkutsche, die ihn von Frankfurt bis Hamburg quer durch die zahlreichen deutschen Kleinstaaten brachte, etwa der Trasse der heutigen B 3 folgend. Die Stationen in Hessen waren neben Frankfurt auch Friedberg, Butzbach, Wetzlar, Gießen und Marburg, er übernachtete in Mainz-Kastel (9. April), Frankfurt (10. April), Wetzlar (11. April), in Josbach nördlich von Marburg (12. April, im Tagebuch fälschlicherweise als "Gosberg" bezeichnet) und in Hannoversch Münden (13. April). In Marburg traf er den berühmten Philosophen Prof. Christian Wolff. Über Kassel ging die Fahrt weiter nach Hannover (20. April, sein Geburtstag, der von ihm nicht erwähnt wird), nach Hamburg und Lübeck, wo er am 24. April ankommt. Fünf Tage später fährt er von Travemünde mit dem Schiff nach Reval (Tallinn), dann weiter zur Festungsinsel Kronstadt, mit der Fähre zum russischen Festland und schließlich zu Fuß nach St. Petersburg, wo er am 24. Mai 1727 eintraf. Die Reise dauerte also sieben Wochen; die Postkutschenfahrt von Mainz-Kastel nach Lübeck zwei Wochen. Eine typische Tagesetappe ging beispielsweise von Frankfurt nach Wetzlar.

In seinem Tagebuch findet sich für den 11. und 12. April die folgende Eintragung:

Faksimile
11.  Reiseten wir von Frankfort

    um 8 uhr weg, auf Friedberg.

    Welche frühere Reichsstadt 11/2

    Posten von Frankfort entfernt

    ist und also mich kostete 11/2

    fl. Zu Friedberg aß ich zu Mittag.

    Von dar nahmen wir die Post

    auf Buzbach, ein 1/2 Post der

    Weg, und kostet 1/2 fl. Von dar

    weiter auf Wetzlar 1 Post

    dahin kostet 1 fl., dar wir zu

    Nacht aßen und übernachteten.

12.  Um 9 uhr verreiseten wir nach

    Gießen, 1 Posten kost 1 fl. Von

    dar nach Marburg, 11/2 Post,

    da ich bey H. Pr. Wolf meine

    Aufwartung machte. Kost 11/2,

    von dar nach Gosberg 11/4

    Post weit, kostet 11/2 fl, da wir

    übernachteten.


Das Tagebuch ist bisher nicht gedruckt worden und sehr schwer zu lesen. Euler schrieb mit Bleistift, der an vielen Stellen verwischte. Er hielt das Tagebuch während der unruhigen Kutschfahrt offenbar auf den Knien. Dennoch lässt sich entziffern, was er über seine Fahrt durch unsere Region schrieb. Es ist nur wenig, aber dennoch ein interessantes historisches Dokument.

Die Autoren danken Frau Sylvia Börgens für die Transkription des Dokumentes.

Es fällt auf, dass Euler  –  ganz Mathematiker  –  die Streckenlängen und die Kosten der Postkutschenfahrt akribisch notiert. Friedberg liegt demnach von Frankfurt eineinhalb Posten entfernt, die Kosten für diese Etappe betrugen eineinhalb Gulden (fl = florin). Ein stolzer Preis, bekam man doch beispielsweise 1715 für zwei Gulden annähernd einen Sack Getreide. (Eulers Anfangsgehalt in Petersburg betrug 300 Gulden pro Jahr, was nicht zum Heiraten reichte; später verdiente er über 1000 Gulden.) Mit dem Postgeld zahlten die Kutscher den Pferdewechsel an den Poststationen, aber auch das Brücken- und Chausseegeld, woran die Chausseehäuser in der Wetterau noch heute erinnern.

Ins Auge sticht die etwas unsaubere Handschrift wie auch die Marotte Eulers, bei Wörtern, die mit einem  n  enden, eine Schleife anzuhängen (z.B. erste Zeile "Reiseten" und letzte Zeile "übernachteten"). Dass der Ort Josbach, heute direkt an der B 3 nördlich von Marburg gelegen, mit "Gosberg" angegeben wird, verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass Euler diesen und andere Ortsnamen lediglich mündlich erfuhr; Ortseingangsschilder gab es noch nicht.


Friedberg
Hier hat Euler wohl seine Mittagsrast gehalten:
Gasthaus und Posthalterei Zum Schwanen (Zum Güldenen Schwan),
heute Kaiserstraße 67 in Friedberg,
auf einem Gemälde aus dem 18. Jahrhundert.


Der Satz  Zu Friedberg aß ich zu Mittag  findet sich übrigens fast wortgleich in einer Reisebeschreibung des Journalisten und Schriftstellers Ludwig Börne (1786 - 1837), was vielleicht den Stellenwert der Friedberger Küche in früheren Zeiten beschreibt: Die auch "Schnabelweide" genannte Kaiserstraße mit ihren vielen Gasthäusern genoss einen guten Ruf.

      Reisen mit der Postkutsche

Euler war, wie bereits erwähnt, gerade einmal 19 Jahre alt, als er sich auf den Weg nach St. Petersburg machte. Ein mutiger Schritt, war das Reisen zu jener Zeit doch alles andere als ungefährlich. Die Straßen waren in miserablen Zuständen, und die eng beieinander sitzenden Passagiere wurden in den ungefederten Kutschen bei jedem Schlagloch durcheinandergerüttelt. In den Wäldern lauerten Straßenräuber, und wenn die Postillione betrunken waren und nicht die nötige Vorsicht walten ließen, kam es nicht selten zu einem Unglück.  "Auch war es sehr ergötzlich, / Wenn mit gewaltigem Krach / In einem Hohlweg plötzlich / Der Wagen zusammenbrach. / War nur ein Rad gebrochen, / So herrschte Fröhlichkeit. / Mitunter brachen auch Knochen – / O gute alte Zeit", dichtete Rudolf Baumbach (1840 - 1905), Autor des Liedes  Hoch auf dem gelben Wagen, mehr als ein Jahrhundert später in einem augenzwinkernden Abgesang auf das Postkutschenzeitalter.

Leonhard Euler reiste im Juni 1750 ein zweites Mal durch Hessen. Er holte seine verwitwete Mutter ab, die ihren Lebensabend bei ihm in Berlin verbringen wollte. Sie fuhr ihm von Basel bis Frankfurt entgegen. Euler fuhr über Magdeburg und Kassel nach Frankfurt und traf dort seine Mutter nach über 23 Jahren erstmals wieder. Der Rückweg führte über Hanau, Fulda, Erfurt, Merseburg und Wittenberg. Tagebuch hat Euler auf dieser Reise offenbar nicht geführt.


Stationen in Eulers Tagebuch im Überblick

Das Tagebuch Leonhard Eulers aus dem Jahr 1727 enthält u.a. Aufzeichnungen über die einzige lange Reise seines Lebens. Sie führte ihn von Basel nach St. Petersburg und dauerte sieben Wochen. Euler hat alle Nachtquartiere und einige Zwischenaufenthalte im Tagebuch festgehalten. Zahlreiche Eintragungen betreffen die Entfernungen zwischen den Poststationen und die Kosten der einzelnen Etappen. Euler schreibt sehr wenig über seine Eindrücke während der Reise. Geradezu außergewöhnlich ist, dass er Hannoversch Münden ein Lob zollt:
"... nach Minden in dem Hanoverischen, einer schönen Statt ..."  Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, wieviel Raum er Friedberg widmet.

Gesamtroute Gesamtablauf der Reise:

5. - 9. April   Basel - Mainz auf einem Rheinschiff

9. April   Fähre über den Rhein nach Mainz-Kastel

10. - 26. April   Kastel - Travemünde mit der Postkutsche

29. April - 13. Mai   Travemünde - Reval (Tallinn) mit dem Schiff über die Ostsee

18. - 21. Mai   Reval - Kronstadt mit dem Schiff über die Ostsee

24. Mai   Fähre zum russischen Festland, dann zu Fuß nach St. Petersburg


Route Stationen in Deutschland (jeweils Ankunft für Übernachtungen):

 9.4.  Kastel

10.4.  Frankfurt

      11.4.  mittags Rast in Friedberg

11.4.  Wetzlar

      12.4.  mittags Rast in Marburg (bei Prof. Wolff)

12.4.  Josbach

13.4.  Hannoversch Münden

14.4.  Alfeld

      15.4.  Aufenthalt in Banteln wegen eines Schadens an der Kutsche

15.4.  Hannover

16.4.  Wietzendorf

17.4.  Bergedorf

18.-23.4.  Hamburg

      24.4.  mittags Rast in Schönberg

24.-25.4.  Lübeck

26.-28.4.  im Hafen von Travemünde, an Bord des Schiffs nach Reval



Christian Wolff

Professor Christian Freiherr von Wolff (1679 - 1754) war ein bedeutender Universalgelehrter. Seine Werke zur Philosophie, zum Rechtswesen und zur Mathematik hatten zu seiner Zeit eine weitreichende Wirkung.

Wolff ging in Breslau zur Schule und studierte in Jena Mathematik, Physik und Theologie. Seine erste Professur erhielt er 1706 an der Universität Halle, für Mathematik und Philosophie. Nach Marburg kam er 1723, weil er Preußen wegen des Vorwurfs des Atheismus verlassen musste. Wolff blieb an der Marburger Universität, bis er 1740 nach Halle zurückkehren durfte.

Euler besuchte Wolff am 12. April 1727 auf seiner Reise nach St. Petersburg. Die Postkutsche konnte nicht lange warten, und so fiel das Treffen des berühmten Professors mit dem jugendlichen Mathematiker, der seinen Ruhm noch vor sich hatte, nur kurz aus. Wolff bedauerte das sehr und schickte Euler einen langen und freundlichen Brief hinterher. In späteren Jahren traten zwischen den beiden weltanschauliche Differenzen zutage.


Mathematik und Physik

Welche Probleme beschäftigten Euler im Jahr 1727 ?

Eulers Denken kreiste unaufhörlich um Mathematik und ihre Anwendungen. Das kann man aus seinen Lebensbeschreibungen und aus seinem überaus umfangreichen Werk schließen. Die Beschäftigung mit der höheren Mathematik reicht zurück bis ins Jahr 1725.

Eulers erste mathematische Abhandlungen wurden 1726 und 1727 [3] gedruckt. Sie behandeln reziproke Trajektorien, also eine differentialgeometrische Problemstellung. Um die gleiche Zeit hat sich Euler auch mit Physik und Ingenieurwesen befasst, wie seine Dissertation über den Schall und seine Arbeit zur günstigsten Setzung von Schiffsmasten zeigen.

Auch das Notizbuch, das Eulers Tagebuch der Reise nach St. Petersburg enthält, ist ein Zeugnis seiner mathematischen Interessen zu dieser Zeit. Man findet dort Aufgaben zu Differentialgleichungen, Mechanik, Reihen, Geometrie, Algebra und Astronomie.

Betrachtet man Eulers Werk und seine unveröffentlichten Notizen im Überblick, so kann man feststellen, dass sein Hauptinteressengebiet um das Jahr 1727 diejenigen Problemstellungen der Mechanik betraf, die sich mit Mitteln der noch jungen Infinitesimalrechnung behandeln ließen, insbesondere mit Differentialgleichungen und mit der Variationsrechnung. Darin folgte er seinem Lehrer Johann Bernoulli, der selbst Pionierarbeit auf diesem Gebiet geleistet hatte und einige Probleme formulierte, die dann von dem jungen Euler gelöst wurden. Ein schönes Beispiel für Eulers Interessen in dieser Phase ist die Tautochrone, also diejenige Kurve, entlang der eine rollende Kugel immer die gleiche Laufzeit bis zum Fußpunkt benötigt, unabhängig aus welcher Höhe sie startet (Lösung: Zykloide).

Auch die berühmte Euler'sche Identität  e + 1 = 0  hat eine Wurzel im Reisejahr 1727, denn Euler fand in diesem Jahr die dazu inverse Formel  ln(-1) = i·π .  Allerdings war Euler nicht der erste, der diese Erkenntnis hatte.


Quellen

[1]  Manfred Börgens, Jürgen Wagner: Zum Euler-Jahr 2007, "Zu Friedberg aß ich zu Mittag", Leonhard Eulers Reise durch die Wetterau 1727; Friedberger Hochschulschriften Nr. 17

[2]  Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Akademie der Wissenschaften der UdSSR (Hrsg.): Sammelband der zu Ehren des 250. Geburtstages Leonhard Eulers der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin vorgelegten Abhandlungen; Berlin 1959

[3]  Leonhard Euler: Methodus inveniendi Trajectorias reciprocas Algebraicas; Acta Eruditorum Sept. 1727 (lat./engl.)

[4]  Gesamtprogramm Euler-Jahr 2007 Basel

[5]  Veranstaltungen Euler-Jahr 2007 international

[6]  Emil A. Fellmann: Leonhard Euler; Reinbek 1995

[7]  Rüdiger Thiele: Leonhard Euler; Leipzig 1982

[8]  Wetterauer Zeitung 28.4.2007, Seite 50: Literarische Wetterau, Folge 30, "Zu Friedberg aß ich zu Mittag"


Abbildungen

Archiv Wetterauer Zeitung
    außer:
Gasthaus und Posthalterei Zum Schwanen: Stadtarchiv Friedberg; Fotografie Ludwig Schmidt
Landkarten: Manfred Börgens


Die Autoren

Verfasser fast aller Folgen der Literarischen Wetterau ist Jürgen Wagner M.A., geboren 1965 in Biebergemünd-Kassel im hessischen Spessart. Er erlernte den Beruf des Holzblasinstrumentenbauers, besuchte anschließend das Hessenkolleg Frankfurt und studierte nach dem Abitur Germanistik, Historische Sprachwissenschaft und Geschichte an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt/Main. Seit 1998 ist er Lokalredakteur bei der Wetterauer Zeitung in Bad Nauheim. Im Jahr 2004 veröffentlichte er die Biographie Der Wörtersammler - Karl Weigand und seine Zeit über den aus Florstadt stammenden Sprachwissenschaftler, Lexikographen und Mitarbeiter der Brüder Grimm.

Dr. Manfred Börgens ist Professor für Mathematik an der Technischen Hochschule Mittelhessen.



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Stand 2022-06-19


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