Vatikan 2012 Michel 1731 Scott 1493 Deutschland 1982 Michel 1155 Scott 1383
Der Ostertermin
Warum liegt Ostern 2019 aus astronomischer Sicht falsch?
Ostern ist das christliche Fest, das die Auferstehung Jesu feiert. Diese wird auf der linken Briefmarke in einer Miniatur dargestellt, die ein unbekannter Künstler in das Brevier des Königs Matthias Corvinus von Ungarn (1443 - 1490) gemalt hat. - Die rechte Briefmarke wurde zum 400. Jahrestag der Einführung des Gregorianischen Kalenders 1582 herausgegeben und bereits bei Marke # 85 erläutert. In diesem heutzutage weltweit verwendeten Kalender ist ein - durchaus komplizierter - Algorithmus zur Berechnung des Osterdatums enthalten.
Die Osterregel legt den Ostersonntag auf den ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond fest. "Nach" bedeutet: Falls der Vollmond auf einen Sonntag fällt, wird Ostern eine Woche danach gefeiert.
Das ist eine klare und einfache Regel, die seit der Entstehung der christlichen Kirchen gültig ist. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es auch keine Schwierigkeit, nach dieser Regel den Ostertermin zu bestimmen. Sowohl Frühlingsanfang als auch Vollmond fallen auf exakte Zeitpunkte (sind also nicht etwa nur tagesgenau), die die Astronomen auf lange Zeit im Voraus berechnen können. Da auch der Wochentag des ersten Frühlingsvollmonds in die Osterregel eingeht, müsste ein Längengrad (oder eine Zeitzone) festgelegt werden, auf dem der Wochentag zum Zeitpunkt des Vollmondes festgestellt wird, weil zu einem konkreten Zeitpunkt verschiedene Wochentage auf der Erde gelten (siehe Marke # 92). Rom wäre sicherlich der erste Kandidat für diese Festlegung.
Aber eine solche Regelung ist nur eine wissenschaftliche Idealvorstellung. In Wirklichkeit wird Ostern nach einem Algorithmus berechnet, der von der katholischen Kirche bei der Gregorianischen Kalenderreform 1582 festgelegt wurde (siehe Briefmarken # 84 und # 85 zum Gregorianischen Kalender) und heute auch von den meisten protestantischen Kirchen befolgt wird (aber nicht von den orthodoxen Kirchen). Dieser Algorithmus kommt der astronomischen Osterregel sehr nahe, aber jeder Mensch erlebt im Laufe seines Lebens mehrere Ausnahmen.
Der kirchliche Algorithmus soll nun erläutert werden.
- Frühlingsanfang: Die Kirche legt den Frühlingsanfang nicht auf einen Zeitpunkt fest, sondern auf einen ganzen Tag, nämlich den 21. März . Zur Zeit liegt der wahre Frühlingsanfang allerdings auf dem 20. März , und das wird noch weiterhin für viele Jahre so bleiben (siehe Tabelle).
- Vollmond: Auch für den Vollmond wird kein exakter Zeitpunkt bestimmt, sondern es wird ein konkretes Datum festgelegt. Dieses ergibt sich aus dem Metonischen Zyklus, einem Mondzyklus von 19 Jahren. Bezeichnet man mit einem Mondmonat die Zeit zwischen zwei Vollmonden, also ca. 29,53 Tage, so entsprechen 235 Mondmonate (fast exakt) 19 Jahren (zu durchschnittlich 365,2422 Tagen). Das bedeutet, dass nach Ablauf von 19 Jahren der erste Frühlingsvollmond wieder auf denselben Tag fällt. Insbesondere kann es nur 19 verschiedene Daten für diesen Vollmond geben. Ein Metonischer Zyklus wird mit der Goldenen Zahl (GZ) von 1 bis 19 durchnummeriert. Dafür wurde GZ = (Jahr mod 19) + 1 festgelegt. Die z.Zt. gültige Zuordnung der Goldenen Zahlen zu den 19 Vollmonddaten sieht man in Bild 1. Der erste Frühlingsvollmond ("Ostervollmond") kann z.Zt. frühestens am 22. März (GZ = 14) und spätestens am 19. April (GZ = 6) auftreten. In Bild 1 stehen die Tage im äußeren schwarzen Kranz und die Goldenen Zahlen im inneren grünen Kranz.
Die GZ sollte nicht mit der Goldenen Zahl Φ aus dem Goldenen Schnitt verwechselt werden, die in der Marke # 86 auftrat (weitere Links siehe dort).
Bild 1 Metonische Zuordnung 1900 - 2199
Beispielrechnung: GZ = 1 gilt im Jahr 2033 , denn (2033 mod 19)+ 1 = 1 . Als Termin für den ersten Frühlingsvollmond liest man den 14. April ab. Das ist ein Donnerstag. Der Ostersonntag fällt also auf den 17. April . Ein Jahr später, also 2034 , gilt folglich GZ = 2 und somit wird der Vollmond auf Montag 3. April angesetzt; Ostern ist dann am 9. April . 19 Jahre später, also in den Jahren 2052 und 2053 , liegen die Vollmonde wieder auf den gleichen Tagen (aber Ostern nicht, da sich die Wochentage verschoben haben). Deshalb lässt sich der Metonische Zyklus sehr anschaulich als Kreis wie in Bild 1 darstellen.
Von den 30 möglichen Vollmonddaten kommen nur 19 tatsächlich vor; z.B. entfällt der 29. März als Termin für einen Vollmond.
An der "Metonischen Zuordnung" in Bild 1 liest man leicht ab, dass sich das Vollmonddatum von einem Jahr zum nächsten (also bei Erhöhung der GZ um 1 ) um 19 Tage im Uhrzeigersinn verschiebt, also um 19 Tage nach vorne, bzw. falls dies über den 19. April hinausgeht, um 11 Tage nach hinten.
Die Festlegung eines Längengrads (wie oben beim astronomischen Ansatz) ist beim kirchlichen Osteralgorithmus nicht erforderlich, da nur Kalendertage und keine Uhrzeiten relevant sind.
Damit ist die kirchliche Osterrechnung in ihrem wesentlichen Kern erklärt - über Feinheiten und Ausnahmen wird noch gesprochen. Die Graphik für den Metonischen Zyklus in Bild 1 reicht vollkommen zur langfristigen Osterberechnung aus. Die 19 möglichen Daten für den Ostervollmond und die jährliche Verschiebung um +19 oder -11 Tage stimmen recht gut mit den astronomischen Gegebenheiten überein, allerdings gibt es auch Abweichungen. Diese sind nur relevant, wenn der Vollmond am Wochenende oder am Frühlingsanfang liegt - auch das wird noch diskutiert werden.
- 1. Ausnahme : Vollmond am Sonntag 19. April : Die Kirche wollte den 26. April als Ostersonntag vermeiden, weil dies mit der Struktur des Kirchenjahres unvereinbar ist. Der 26. April ist aufgrund des Metonischen Zyklus rechnerisch der spätest mögliche Ostertermin. Falls der Algorithmus den 26. April als Osterdatum berechnet, wird Ostern um eine Woche auf den 19. April vorverlegt. Dies kann nur in den Jahren vorkommen, in denen der erste Frühlingsvollmond auf Sonntag 19. April fällt. In solchen Jahren scheint also an Ostern der Vollmond (zumindest nach dem kirchlichen Algorithmus), während man in "normalen" Jahren (ohne Verschiebung) an Ostern einen abnehmenden Mond sieht.
Eine solche Verschiebung kam zuletzt 1981 vor und wird erst wieder 2076 auftreten.
- 2. Ausnahme : Vollmond am Sonntag 18. April : Diese zweite Ausnahme erscheint bei weitem nicht so zwingend wie die erste. Die Kalenderreformer wollten vermeiden, dass in einem 19-Jahre-Zyklus Ostern zweimal auf den 25. April fällt, den (wegen der 1. Ausnahme) letztmöglichen Termin. Das hat rein traditionelle Gründe, da es im Julianischen Kalender, der bis 1582 galt, nicht vorkommen konnte.
Wir wollen analysieren, unter welchen Umständen der 25. April zweimal innerhalb eines Metonischen Zyklus als Ostersonntag vorkommen kann.
Schaut man in Bild 1 auf die Kreisgraphik für den Metonischen Zyklus, so wird klar, dass nur die Vollmonddaten Sonntag 18. April und Montag 19. April in Frage kommen, und dass diese wegen der Goldenen Zahl um 11 Jahre auseinander liegen. Bild 2 soll das verdeutlichen. Die Lage der Schaltjahre ist nur beispielhaft zu verstehen.
Bild 2
Welche Goldenen Zahlen kämen theoretisch für x in Bild 2 in Frage? Da ja x und x - 11 im selben Metonischen Zyklus liegen sollen, muss GZ(x) > 11 sein (das ist z.Zt. der Fall, denn zum 18. April gehört GZ = 17 ). Damit ist gezeigt: In einem 19-Jahre-Zyklus kann Ostern nur dann zweimal auf den 25. April fallen, wenn der erste Frühlingsvollmond auf Sonntag 18. April fällt und in diesem Jahr GZ > 11 gilt.
In solchen Jahren greift die zweite von der Kirche festgelegte Ausnahme: Falls in einem Jahr mit GZ > 11 der erste Frühlingsvollmond für Sonntag 18. April berechnet wird, wird Ostern um eine Woche auf den 18. April vorverlegt. In solchen Jahren - wie bei der vorigen Ausnahmeregel - scheint ausnahmsweise an Ostern der Vollmond (nach dem kirchlichen Algorithmus).
Eine solche Verschiebung kam zuletzt 1954 vor und wird erst wieder 2049 auftreten.
Abgesehen davon, dass die 2. Ausnahmeregel in ihrer Begründung etwas willkürlich erscheint, rechnerisch nicht ganz einfach zu durchschauen ist und den Algorithmus komplizierter macht, stellt sich auch die Frage, ob die Verschiebung wirklich immer notwendig ist. Wir werden sehen, dass die Kirche selbst dann diese Verschiebung des Osterfestes durchführt, wenn die Argumentation aus Bild 2 für die Jahre x und x - 11 nicht greift.
Was ist in der Darstellung der Daten in Bild 2 nicht zwingend? Nun, dort wird davon ausgegangen, dass zwischen den Jahren x - 11 und x drei Schaltjahre liegen - sonst würden die angegebenen Wochentage nicht stimmen. Das muss aber nicht so sein. Hier kommt eine erste Möglichkeit: Eines dieser Schaltjahre kann wegen eines Jahrhundertwechsels entfallen. Dies wird in Bild 3 dargestellt (die grünen Schaltjahre können auch ein oder zwei Jahre nach rechts verschoben sein). Alle durch 100 teilbaren Jahre, mit Ausnahme der durch 400 teilbaren, haben keinen Schalttag.
Bild 3
Eine Situation wie in Bild 3 tritt schon zur Jahrhundertwende 2100 auf. 2100 ist kein Schaltjahr, obwohl es durch 4 teilbar ist. Am Sonntag 18. April 2106 ist der (kirchliche und tatsächliche) erste Frühlingsvollmond. Da auch im 22. Jahrhundert die Zuordnung aus Bild 1 gilt (dies wird im nächsten Unterpunkt "Korrekturen an der Metonischen Zuordnung ..." erklärt), ist GZ = 17 und somit Ostern am 18. April statt am 25. April . Das ist (unnötigerweise) eine Woche zu früh, denn mit x = 2106 ist x - 11 = 2095 mit dem Ostervollmond (ebenfalls astronomisch korrekt) am Dienstag 19. April 2095 (nicht am Montag wegen des fehlenden Schalttages) und Ostersonntag am 24. April 2095 , so dass in diesem Metonischen Zyklus die Möglichkeit von zwei Ostersonntagen am 25. April gar nicht besteht.
Es gibt noch eine zweite Möglichkeit für den Ostervollmond am Dienstag 19. April im Jahr x - 11 , nämlich wenn x - 11 ein Schaltjahr ist (siehe Bild 4). Dies führt zum gleichen Effekt wie in Bild 3, also zu einer unnötigen Vorverlegung von Ostern. Der Grund dafür ist einfach: Der Schalttag im Jahr x - 11 ist der 29. Februar , liegt also vor dem Frühlingsanfang.
Bild 4
Eine Situation wie in Bild 4 wird noch lange auf sich warten lassen. Erst im Jahr x = 6399 werden alle Bedingungen dafür gleichzeitig erfüllt sein: Ostervollmond am Sonntag 18. April, GZ = 16 > 11 , Jahr x - 11 = 6388 Schaltjahr. Warum GZ = 16 gilt, wird noch im folgenden Unterpunkt "Korrekturen an der Metonischen Zuordnung ..." erklärt. - 6399 ist zudem ein Beispiel dafür, dass der Osteralgorithmus um einen Tag falsch liegen kann: Der wahre Vollmondtermin ist Samstag 17. April ; das ist ein weiterer Grund dafür, dass es eigentlich keiner Ausnahmeregelung bedurft hätte.
Theoretisch können die Effekte aus Bild 3 und Bild 4 gleichzeitig eintreffen, wie in Bild 5 dargestellt. Dann wäre im Jahr x - 11 Ostern schon am 23. April . Dafür ist aber kein Beispiel bekannt, auch nicht in ferner Zukunft.
Bild 5
Theoretische Konstellation; kein Beispiel bekannt
- Korrekturen an der Metonischen Zuordnung zu den vollen Jahrhunderten: Die Zuordnung der Goldenen Zahlen zu den Vollmonddaten in Bild 1 gilt nicht ewig. In unserer Zeit gilt sie aber recht lange, nämlich von 1900 bis 2199 . 300 Jahre lang bleibt somit die Festlegung der ersten Frühlingsvollmonde in Zyklen von 19 Jahren unverändert - insbesondere gibt es während dieser 300 Jahre 11 Tage zwischen dem 21. März und dem 19. April , die für den Ostervollmond nicht in Frage kommen. Alle bisher angeführten Beispiele, mit Ausnahme desjenigen unter Bild 4, stützen sich auf die Zuordnung in Bild 1.
In den meisten vollen Jahrhunderten werden jedoch der schwarze und der grüne Kranz in Bild 1 gegeneinander um genau eine Position verdreht, zuletzt im Jahr 1900 , dann wieder in 2200 . Es kommen Verdrehungen in beiden Richtungen vor - und in einzelnen vollen Jahrhunderten passiert auch gar nichts, wie beispielsweise in den Jahren 2000 und 2100 . Für diese möglichen Verdrehungen um +1, 0 oder -1 gibt es eine feste Regel, die noch genau dargelegt wird.
Warum kann es nicht für immer bei der Zuordnung wie in Bild 1 bleiben, die ja eine schöne Regelmäßigkeit in die Osterrechnung bringt? Der Grund ist ein naheliegender: Der Metonische Zyklus, der auf der Gleichung "235 Mondmonate = 19 Sonnenjahre" beruht, ist nicht exakt. Wir wollen die folgenden Fragen aufklären:
- Wie groß ist die Ungenauigkeit des Metonischen Zyklus?
- Wie wurde in der Kalenderreform 1582 diese Ungenauigkeit korrigiert?
- Hätte man die Korrektur noch besser machen können?
Ein Mondmonat (ein sogenannter synodischer Monat) dauert im Durchschnitt
• m ≈ 29,5305891 Tage
Ein durchschnittliches Kalenderjahr im Gregorianischen Kalender dauert
• j = 365,2425 Tage
Also beträgt die Abweichung beim Metonischen Zyklus 235 m - 19 j :
• a1 ≈ 0,08094 Tage
Die Kirche wollte diese Abweichung innerhalb von 10.000 Jahren ausgleichen. Wir multiplizieren a1 mit 10.000/19 :
• a2 ≈ 42,6 Tage
In welche Richtung wirkt diese Abweichung? 235 synodische Monate dauern etwas länger (nämlich a1 ) als 19 Jahre. Also wird der Ostervollmond nach einer gewissen Zeit einen vollen Tag später scheinen als in der Zuordnung in Bild 1. Nehmen wir als Beispiel die Jahre mit GZ = 16 , denen der Vollmond am 30. März zugeordnet ist. Im Lauf der Jahre wird der Vollmond auf den 31. März gerückt sein. Was ist dann zu tun? Nun, man verdreht den grünen Kranz in Bild 1 um eine Position im Uhrzeigersinn; diese Drehrichtung soll hier mit +1 geschrieben werden. Wir haben gesehen, dass im Durchschnitt 42,6 solche (+1)-Drehungen innerhalb von 10.000 Jahren erforderlich sind.
Die Kalenderreformer haben sich hier das Leben etwas schwer gemacht. Sie haben diese Korrektur in zwei Schritten durchgeführt, die als Sonnengleichung und Mondgleichung bekannt geworden sind. Im ersten Schritt hat man sich damals überlegt, was zu tun wäre, wenn der Metonische Zyklus im Julianischen Kalender exakt gestimmt hätte. Da im Gregorianischen Kalender in drei von vier vollen Jahrhunderten ein Schalttag ausfällt (zuletzt 1900 ), muss in diesen Jahren eine (+1)-Drehung in der Metonischen Zuordnung (Bild 1) erfolgen:
• Sonnengleichung : +1 Tag in den Jahren 1700, 1800, 1900, 2100 usw.
Nun stimmt aber der Metonische Zyklus auch im Julianischen Kalender nicht exakt mit den astronomischen Gegebenheiten überein. Wir modifizieren die oben durchgeführte Abweichungsrechnung:
Ein durchschnittliches Kalenderjahr im Julianischen Kalender dauert
• jjul = 365,25 Tage
Also beträgt die Abweichung beim Metonischen Zyklus 235 m - 19 jjul :
• a1.jul ≈ -0,06156 Tage
Hier sieht man, dass der Metonische Zyklus im Julianischen Kalender etwas genauer war als im Gregorianischen Kalender ( |a1| > |a1.jul| ) ; die Abweichung geht in die andere Richtung, d.h. der Ostervollmond verfrüht sich allmählich.
Da a1.jul negativ ist, muss also hin und wieder die Metonische Zuordnung in Bild 1 eine (-1)-Drehung erfahren; der grüne Kranz wird also um eine Position im Gegenuhrzeigersinn verdreht. Hier ist nun die Kirche von einem Zeitraum von 2.500 Jahren ausgegangen und hat die Rechnung aufgestellt: In 2.500 Jahren summiert sich diese Abweichung auf -0,06156 · 2.500/19 ≈ -8,1 Tage. Also beschloss man, dass 8 Mal in 2.500 Jahren eine (-1)-Drehung in der Metonischen Zuordnung (Bild 1) erfolgt, erst 7 Mal im Abstand von 300 Jahren, dann 1 Mal nach weiteren 400 Jahren:
• Mondgleichung : -1 Tag in den Jahren 1800, 2100, 2400, 2700, 3000, 3300, 3600, 3900, 4300 usw.
Damit ist der Gregorianische Kalender vollständig beschrieben. Ausgehend von Bild 1, das zu unserer Zeit gültig ist, erhalten wir die folgenden Veränderungen in der Metonischen Zuordnung durch Sonnen- und Mondgleichung; in der letzten Spalte steht die Veränderung gegenüber Bild 1, jeweils gültig für das Jahr xx00 in der ersten Spalte bis zum Jahr xx99 :
vor 1600 -2
1600 -2
1700 +1 -1
1800 +1 -1 -1 Beginn erster Mondzyklus
1900 +1 0
2000 0
2100 +1 -1 0
2200 +1 1
2300 +1 2
2400 -1 1
2500 +1 2
2600 +1 3
2700 +1 -1 3
2800 3
2900 +1 4
3000 +1 -1 4
3100 +1 5
3200 5
3300 +1 -1 5
3400 +1 6
3500 +1 7
3600 -1 6
3700 +1 7
3800 +1 8
3900 +1 -1 8
4000 8
4100 +1 9
4200 +1 10
4300 +1 -1 10 neuer Mondzyklus
4400 10
4500 +1 11
4600 +1 -1 11
4700 +1 12
4800 12
4900 +1 -1 12
5000 +1 13
5100 +1 14
5200 -1 13
5300 +1 14
5400 +1 15
5500 +1 -1 15
5600 15
5700 +1 16
5800 +1 -1 16
5900 +1 17
6000 17
6100 +1 -1 17
6200 +1 18
6300 +1 19
6400 -1 18
6500 +1 19
6600 +1 20
6700 +1 21
6800 -1 20 neuer Mondzyklus
6900 +1 21
7000 +1 22
7100 +1 -1 22
7200 22
...
Tabelle 1 Sonnen- und Mondgleichung
Sonnen- und Mondgleichung heben sich also in vielen Jahren gegenseitig auf.
Innerhalb von 10.000 Jahren gibt es 75 (+1)-Drehungen und 32 (-1)-Drehungen in der Metonischen Zuordnung. Insgesamt entspricht das einer Verschiebung um 43 Tage . Da a2 ≈ 42,6 Tage , weist die Bestimmung des Ostervollmondes einen Fehler von nur ca. 0,4 Tagen innerhalb von 10.000 Jahren auf. Das ist eine Meisterleistung von Lilius und Clavius - man bedenke, dass im 16. Jahrhundert die Länge m des synodischen Monats sicherlich nicht auf 7 Nachkommastellen (s.o.) genau bestimmt werden konnte.
Was hätte man noch besser machen können? Tabelle 1 für die Metonischen Zuordnungen (oben nur gekürzt wiedergegeben) zeigt, dass die erforderlichen 43 Netto-(+1)-Drehungen sehr ungleichmäßig liegen und insbesondere (unnötigerweise) (-1)-Drehungen vorkommen. Es wäre einfacher gewesen, 43 (+1)-Drehungen einigermaßen gleichmäßig über die 10.000 Jahre zu verteilen und keine (-1)-Drehungen zuzulassen. Die Abweichungen zu den realen astronomischen Vollmonddaten wären dann geringer ausgefallen.
Dass der Gregorianische Kalender in der hier beschriebenen Form 10.000 Jahre alt wird, ist nicht sehr wahrscheinlich, da sich Tageslänge, Jahreslänge, Frühlingsanfang und Mondmonat alle innerhalb von 10.000 Jahren allmählich ändern.
- Anfangsbedingungen 1582 - wie der Kalender gestartet wurde: Um die Jahreszeiten wieder in Einklang mit dem Kalender zu bringen, ließ die Gregorianische Kalenderreform 1582 im Oktober 10 Tage ausfallen. Beginnend mit diesem Jahr wurde die Schaltjahrregelung geändert, um die Jahreslänge von 365,25 auf den astronomisch genaueren Wert von 365,2425 Tagen zu reduzieren. Deshalb waren 1700, 1800 und 1900 keine Schaltjahre. Diese Änderung hatte eine erhebliche Auswirkung auf die Berechnung des Osterfests, das bis 1582 streng und ohne jede Ausnahme im 19-Jahre-Rhythmus nach einer festen Metonischen Zuordnung gefeiert wurde.
Obwohl es ohne größere Schwierigkeiten im 16. Jahrhundert möglich gewesen wäre, die Osterregel auf rein astronomische Beobachtungen zu gründen, zog man einen festen Algorithmus vor, der "ewig" gelten sollte. Offenbar war es wichtig, auch für die fernere Zukunft den Ostertermin bestimmen zu können, ohne sich auf astronomische Vorhersagen stützen zu müssen. Dafür nahm die Kalenderkommision in Kauf, dass (vorhersehbar) unexakte Daten für den Frühlingsanfang und den Vollmondtermin berechnet wurden.
Das erste betroffene Osterfest war 1583. Für dieses und die Folgejahre wurde ein Metonischer Zyklus nach der Regel GZ = (Jahr mod 19) + 1 definiert, der die Tradition des Julianischen Kalenders fortführte und für alle Zeiten Bestand haben sollte. Dann wurde im Einklang mit den damals aktuellen Mondbeobachtungen eine Metonische Zuordnung der GZ zu den Vollmonddaten festgelegt, die genau wie in Bild 1 aussah, bei der aber der grüne Kranz um 2 Positionen im Gegenuhrzeigersinn gedreht war:
Bild 6 Metonische Zuordnung 1583 - 1699
Der Zyklus in Bild 6 hatte bis 1699 Bestand, was man auch aus Tabelle 1 erkennen kann. 1583 hatte die Goldene Zahl 7 , der Vollmond wurde somit auf den 6. April festgelegt. Dies war ein Mittwoch, also war Ostersonntag am 10. April . Tatsächlich lag der Vollmondtermin in den frühen Morgenstunden des 7. April ; der Algorithmus startete also gleich mit einer Abweichung von den realen Daten, was allerdings auf den Ostertermin keinen Einfluss hatte (solche Abweichungen, wenn sie nicht am Wochenende oder am Frühlingsanfang liegen, sind generell für das Osterdatum unerheblich; man beachte außerdem, dass der 7. April als Vollmonddatum gar nicht vorgesehen war, siehe Bild 6).
Der letzte Schritt war die Festlegung von Sonnen- und Mondgleichung. Beides hatte es im Julianischen Kalender nicht gegeben. Die Sonnengleichung ergab sich von selbst durch die ausfallenden Schaltjahre. Bei der Mondgleichung musste ein Startjahr bestimmt werden sowie die Abfolge der 8 (-1)-Drehungen in der Metonischen Zuordnung. Die Kalenderkommission entschied sich für das Startjahr 1800 und für 7 weitere (-1)-Drehungen alle 300 Jahre, dann eine weitere nach 400 Jahren, also im Jahr 4300 , in dem der neue 2.500-Jahr-Zyklus mit gleicher Abfolge beginnt (siehe Tabelle 1).
Nun ist das Meisterwerk von Lilius und Clavius umfassend beschrieben. An den Universitäten ihrer Zeit galt der Computus, wie man die Osterberechnung nannte, als höhere Mathematik. Später haben Carl Friedrich Gauß und andere den Computus in eine mathematische Formel gefasst. Dabei gehen sie noch einen Schritt weiter und bestimmen auch den Wochentag des Ostervollmonds, so dass das Osterdatum direkt ablesbar ist.
- Abweichung des Computus von den astronomischen Beabachtungen: Der Algorithmus stimmt über sehr lange Zeiträume ausgezeichnet, aber nur im Durchschnitt. Abweichungen von einem rein astronomisch bestimmten Ostertermin kommen nicht selten vor und werden manchmal als "Osterparadoxa" bezeichnet. Die Regel "Ostern am ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond" wird nicht nur durch die beiden oben dargestellten Ausnahmen verletzt (die rein innerkirchliche Gründe haben), sondern auch durch Fehlberechnungen des Vollmondtermins und die Nicht-Berücksichtigung des wahren Frühlingsanfangs.
Die Abweichungen des Computus vom tatsächlichen Lauf von Sonne und Mond betragen maximal etwa ± 1 Tag , aber für das Osterfest kann das eine Verschiebung um bis zu fünf Wochen zur Folge haben.
Abweichungen dieser Art können vorkommen, wenn der Vollmondtermin in der Nähe des Frühlingsanfangs oder in der Nähe eines Wochenendes liegt. - Am Frühlingsanfang könnte der astronomisch berechnete Ostervollmond am 19., 20. oder 21. März liegen, der kirchlich berechnete Ostervollmond aber 29 oder 30 Tage später. Oder es geht umgekehrt: Kirchlicher Ostervollmond am 21. März , astronomischer Ostervollmond Ende April. Eine Verschiebung von Ostern um vier (sehr selten auch fünf) Wochen wäre die Folge. - An den Wochenenden kann der astronomische Ostervollmond auf einem Samstag und der kirchliche auf einem Sonntag liegen oder umgekehrt; eine Verschiebung von Ostern um eine Woche wäre die Folge. - Auch Kombinationen dieser Effekte mit den beiden oben beschriebenen innerkirchlichen Ausnahmen können vorkommen.
Der erste Frühlingsvollmond im Jahr 2019 ist am Donnerstag 21. März . Dieses Jahr hat die Goldene Zahl 6 . Bild 1 zeigt Freitag 19. April als Ostervollmond nach dem Computus an. - Man beachte, dass der 21. März als Vollmondtermin nach dem Computus gar nicht in Frage kommt (Bild 1).
Ostersonntag ist somit der 21. April , vier Wochen nach dem astronomisch berechneten Termin 24. März .
Weitere Osterparadoxa
Die Uhrzeiten für Vollmond und Frühlingsanfang werden in den Quellen leicht unterschiedlich angegeben, deshalb findet man hier nur gerundete oder gemittelte Werte. Am weitesten in die Zukunft blicken die Websites von Nikolaus A. Bär und Thomas Köhler sowie die Eulenseite.
Es soll noch auf ein Darstellungsproblem in den kirchlichen Ostertabellen hingewiesen werden. Bisher und im Folgenden ist oft die Rede davon, dass der Computus den Ostervollmond für ein bestimmtes Datum berechnet. Für die beiden oben beschriebenen Ausnahmen wird dann Ostern um eine Woche verlegt. In den kirchlichen Tabellen wird dieser Effekt auf andere Weise dargestellt. Dort heißt der Ostervollmond "Luna XIV paschalis". Wenn dieser auf den 18. (falls GZ > 11 ) oder 19. April fällt, wird er um einen Tag vorverlegt (unabhängig vom Wochentag, also auch, wenn es gar nicht nötig ist). Deshalb weichen in diesen Fällen die Vollmonddaten von Nikolaus A. Bär um einen Tag gegenüber denjenigen von Thomas Köhler und von der Eulenseite ab. Bei den hier vorgestellten Osterparadoxa werden sowohl für die realen als auch für die nach dem Computus berechneten Monddaten die unverschobenen Werte genommen. Dies harmoniert auch mit der Gauß'schen Osterformel.
Ostern eine Woche zu spät
Wir beginnen mit den einfachen Fällen. Ostern wird (astronomisch gesehen) eine Woche verspätet gefeiert, wenn der wahre Ostervollmond an einem Samstag scheint, der Computus aber dafür den nächsten Tag, also einen Sonntag berechnet. Dieser Effekt steht generell unter einem Vorbehalt: Der Wochentag für den astronomischen Vollmond ist nicht überall auf der Welt derselbe. Der Zeitpunkt für den vollen Mond könnte z.B. in Rom am Abend liegen, dann wäre es weiter östlich schon Sonntag.
1974 : Astronomischer Vollmond Samstag 6. April 22:00 MEZ , Kirchenvollmond Sonntag 7. April , Ostern 14. April .
2045 : Astronomischer Vollmond Samstag 1. April 19:42 MEZ , Kirchenvollmond Sonntag 2. April , Ostern 9. April .
4224 mit GZ = 7 : Dieses ferne Jahr zeigt das Problem der Wochentagsbestimmung. Der astronomische Vollmond ist am Samstag 17. April 23:15 UT ; in Westeuropa und Amerika ist noch Samstag, in Mitteleuropa und weiter östlich schon Sonntag. Der Kirchenvollmond liegt auf Sonntag 18. April , also Ostern wegen GZ ≤ 11 am 25. April .
Nun kann es (sehr selten) vorkommen, dass die beschriebene Differenz um eine Woche wieder aufgehoben wird, weil der astronomische Vollmond am Samstag 17. April scheint und die zweite innerkirchliche Ausnahme greift. Hier kommt ein Beispiel, ebenfalls in ferner Zukunft:
3852 mit GZ = 15 : Astronomischer Vollmond Samstag 17. April 17:17 MEZ , Kirchenvollmond Sonntag 18. April , also Ostern wegen GZ > 11 am 18. April .
Ostern eine Woche zu früh
1967 : Astronomischer Vollmond Sonntag 26. März 04:20 MEZ , Kirchenvollmond Samstag 25. März , Ostern 26. März .
2170 : Astronomischer Vollmond Sonntag 1. April 07:37 MEZ , Kirchenvollmond Samstag 31. März , Ostern 1. April .
2353 - Ostern vier Wochen zu früh
Nun kommen die großen Differenzen: Vier Wochen Unterschied zwischen astronomischem Ostertermin und dem kirchlichen Osterfest. Ein Beispiel dafür ist, wie wir schon gesehen haben, das Jahr 2019 , in dem Ostern vier Wochen verspätet ist.
2353 ist es umgekehrt wie im Jahr 2019 . Der kirchliche Ostermond wird für Samstag 21. März berechnet und Ostersonntag ist somit am 22. März , dem frühestmöglichen Termin. Aber der zugehörige wahre Vollmond ist bereits am 20. März um 19:57 MEZ ; dieser ist kein Frühlingsvollmond, da der Frühlingsanfang erst am 20. März um 22:04 MEZ liegt.
2076 - Ostern vier Wochen zu spät - unnötigerweise
Ostern 2076 ist ein gutes Beispiel dafür, wie gleich zwei Abweichungen in der Osterberechnung zusammentreffen. Der erste Frühlingsvollmond ist am Freitag 20. März . Aus astronomischer Sicht könnte also am 22. März Ostern gefeiert werden. In diesem Jahr ist GZ = 6 und deshalb der kirchliche Ostervollmond erst am Sonntag 19. April (siehe Bild 1). Für dieses Datum greift nun die oben beschriebene 1. Ausnahme und verlegt den Ostersonntag vom 26. auf den 19. April . Im Jahr 2076 kommen also gleich zwei Ausnahmen zusammen. Würde der Frühlingsanfang im Computus korrekt eingesetzt, würde die 1. Ausnahme nicht erforderlich werden.
1943 / 1954 und 2038 / 2049
1954 und 2049 wurden oben bei der 2. Ausnahme als das bisher letzte bzw. das nächste Jahr mit einer Vorverlegung von Ostern vom 25. auf den 18. April genannt. Astronomisch gesehen waren beide Verlegungen überflüssig. Denn 11 Jahre vorher, also 1943 und 2038 , wurde Ostern am 25. April gefeiert, obwohl astronomisch der 28. März der richtige Termin gewesen wäre. - Die Situation in den beiden Jahren ist identisch: 1943 und 2038 ist der astronomische Ostervollmond am Sonntag 21. März , der aber nach dem Computus nicht in Frage kommt; wegen GZ = 6 wird der Vollmond für Montag 19. April berechnet.
2877 - Ostern fünf Wochen zu spät
Im Computus sind der 22. März und der 25. April die Grenzen für den Ostersonntag. Das ist eine Spanne von vier Wochen und sechs Tagen. Dies zeigt, dass eine Differenz von fünf Wochen zwischen astronomischem und kirchlichem Ostern nur äußerst selten vorkommen kann und zudem einen Frühlingsanfang vor dem 21. März erfordert.
Im Jahr 2877 ist am Freitag 19. März um 22:57 MEZ Frühlingsanfang. Am Samstag 20. März scheint um 14:39 MEZ der Vollmond. Aus astronomischer Sicht wäre also am 21. März Ostersonntag. Tabelle 1 zeigt uns, dass wir für 2877 den grünen Kranz in Bild 1 um drei Positionen im Uhrzeigersinn weiterdrehen müssen. In diesem Jahr ist GZ = 9 , also wird Montag 19. April für den Ostervollmond festgesetzt. Der Ostersonntag ist dann am 25. April , dem spätestmöglichen Tag, somit um fünf Wochen verspätet.
Weblinks
Die deutsche und die englische Wikipedia-Seite stellen den Computus auf unterschiedliche Weise dar und sind beide sehr informativ: Wikipedia deutsch Wikipedia englisch
Eine wichtige Ergänzung ist die Wikipedia-Seite zum Osterparadoxon.
Nikolaus A. Bär hat die Osterformel von Carl Friedrich Gauß in ausführlich kommentierter Form angegeben.
Langfristige Vorhersagen liefern die Websites von Nikolaus A. Bär und Thomas Köhler sowie die Eulenseite.
Eine weitere schöne Seite von Nikolaus A. Bär stellt die Vorgeschichte der Gregorianischen Kalenderreform dar: Das Kunstwerk des Aloysius Lilius
Publiziert 2019-01-29 Stand 2017-03-02
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