Manfred Börgens
Mathematik auf Briefmarken  # 84
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Kalender

Montenegro 2007   Michel 135   Scott 155


Der Gregorianische Kalender  Teil 1

Die Briefmarke ist dem 425. Geburtstag der Gregorianischen Kalenderreform gewidmet. Man sieht im Hintergrund die Jahreszahl 1582. In diesem Jahr wurde durch die von Papst Gregor XIII. erlassene Bulle Inter gravissimas der bis dahin in Europa gültige Julianische Kalender abgelöst, zunächst in den meisten katholischen Ländern; nach und nach wurde der neue Gregorianische Kalender fast überall in der Welt akzeptiert. Die zehn Tage 5. - 14. Oktober wurden einmalig ausgelassen, der 15. Oktober 1582 markiert den Beginn des neuen Kalenders.

Der Julianische Kalender, von Julius Caesar 45 v. Chr. in Kraft gesetzt, sah in jedem vierten Jahr ein Schaltjahr vor und legte damit die durchschnittliche Jahreslänge auf 365,25 Tage fest. Das wahre Sonnenjahr ist jedoch kürzer. Der Unterschied hatte sich bis zum 16. Jahrhundert auf beträchtliche zehn Tage summiert. Insbesondere lag deshalb der kalendarische Frühlingsbeginn (21. März) um etwa zehn Tage vor dem astronomischen Frühlingsbeginn (Tag- und Nachtgleiche), was die katholische Kirche nicht länger hinnehmen wollte, da die Berechnung des Osterfests auf diesem Datum aufbaut.

Bei der Auslassung der zehn Tage im Oktober 1582 wurde die Abfolge der Wochentage nicht verändert; auf Donnerstag, 4. Oktober folgte Freitag, 15. Oktober. Der Wochenrhythmus ist eines der ältesten Kulturgüter der Menschheit und blieb vor allem wegen seiner Verankerung in der Bibel unangetastet.

Durch den Datumssprung war das Problem der Festlegung von Ostern zwar zunächst gelöst, aber zusätzlich sollte die Jahreslänge verkürzt werden, um nicht erneut den Verzögerungseffekt des Julianischen Kalenders eintreten zu lassen. Es wurde bestimmt, dass die durch 4 teilbaren Jahre Schaltjahre sein sollten, mit Ausnahme derjenigen, die durch 100, aber nicht durch 400 teilbar sind. Das Jahr 1900 war also beispielsweise kein Schaltjahr, das Jahr 2000 aber doch, so dass die jetzt lebenden Menschen die Wirkung der Gregorianischen Schaltjahrregelung nicht bemerkten. Das Jahr ist im Gregorianischen Kalender also durchschnittlich 365,2425 Tage lang. Am 14. Oktober 1982 vollendete sich der erste Gregorianische Zyklus. Nach 400 Jahren wiederholt sich nicht nur die Abfolge der Schaltjahre, sondern auch die Abfolge der Wochentage  -  denn es trifft sich glücklich, dass die Anzahl der Tage in 400 Jahren durch 7 teilbar ist: 146097 Tage = 20871 Wochen.

Auch der Gregorianische Kalender trifft die astronomische Jahreslänge nicht exakt. Auf der Briefmarke sehen wir die Eintragung 26''. Diese 26 Sekunden stehen für den Unterschied zwischen der kalendarischen und der tatsächlichen Jahreslänge. Das Gregorianische Jahr ist immer noch etwas zu lang gegenüber den astronomisch gemessenen 365,24219 Tagen. Die Differenz beträgt 365,2425 - 365,24219 Tage = 26,78 Sekunden (gerundet), so dass auf der Marke der Wert 27'' der bessere gewesen wäre.

Abweichung
Copyright

Man liest häufig, dass etwa 3230 Jahre vergehen müssen, ehe sich der Fehler im Gregorianischen Kalender auf einen Tag aufsummiert hat. Das ist eine etwas problematische Aussage, denn sowohl die astronomische Jahreslänge als auch die astronomische Tageslänge sind Schwankungen unterworfen. Für den Laien erschwerend kommt hinzu, das die Astronomie zwei (leicht) verschiedene Definitionen des Sonnenjahres kennt. In der nebenstehenden Graphik erkennt man, dass der aktuellen Jahreslänge von 365,24219 Tagen die "360°-Definition" (schwarze Kurve) zugrundegelegt wurde. Aber ebenso wie bei der alternativen "Frühlings-Definition" (grüne Kurve) ist die Jahreslänge nicht konstant. Somit verbietet sich die (gerundete) Hochrechnung 1 Tag / 26,78'' = 3230. Bei der schwarzen Kurve beträgt die Abweichung auf Dauer mehr als 26,78'', bei der grünen Kurve weniger.  -  Die allmähliche Veränderung der Tageslänge ist in der Graphik bereits berücksichtigt.

Papst Gregor hatte im Vorfeld der Kalenderreform eine Kommission eingesetzt, in der Astronomen, Mathematiker und Kleriker gemeinsam arbeiteten. Heute verbindet man die Ausarbeitung der Reform vor allem mit Christopher Clavius (der uns schon kurz bei den Briefmarken # 12 und # 62 begegnet ist). Er hat in der Tat einen großen Anteil an der Reform und hat vor allem die abschließenden Arbeiten durchgeführt, aber er konnte sich auf die astronomischen Berechnungen von Aloisius Lilius (Luigi Lilio) stützen, der bis zu seinem Tode 1576 ebenfalls Mitglied der Kommission war. Christopher Clavius ist vom Vatikan mit einer Marke geehrt worden, die hier gezeigt wird. Man sieht Clavius als Mönch des Jesuiten-Ordens mit einem Zirkel in der Hand, umgeben von Büchern und astronomischen Geräten. Auf dem Tisch steht eine Armillarsphäre, an der Wand hängen zwei Astrolabien. Rechts von Clavius' Hut sieht man das Vatikanische Wappen.

Clavius

Vatikan 2012   Michel 1732   Scott 1494

Der Graphiker hat eine zeitgenössische Vorlage verwendet, die man hier in hoher Auflösung betrachten kann.




Publiziert 2013-08-27          Stand 2012-11-10


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