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2025-06-30


Welcher Anteil der Erdoberfläche wird vom Vollmond beleuchtet ?


Das Problem # 132 auf dieser Website gab Anlass zu diesem Blogbeitrag. Dort wurde der beleuchtete Anteil zu \(~49,17~\%~\) berechnet. Aber das bezog sich auf den Mittelpunkt der Mondscheibe, so als wäre dort eine Lampe angebracht.  –  Hier soll die Fragestellung etwas erweitert werden; außerdem wollen wir uns die Formeln für die Mantelfläche von Kugelkappen genauer anschauen.


I.  Punktförmige Lichtquelle   wie in Problem # 132


Kugelkappe

Bild 1   Kugel und Kugelkappe im Querschnitt
\(r~\) Kugelradius
\(h~\) Höhe der Kappe
\(s~\) Radius des Kappenbodens
\(\alpha~\) halber Öffnungswinkel
\(b~\) Abstand der Lichtquelle vom Kugelmittelpunkt


Formeln für Mantelfläche Kugelkappe, \(~r~\) fest vorgegeben:

    Mantelfläche \(~M~\) in Abhängigkeit von \(~h,~s,~\alpha,~b\) Anteil der Mantelfläche an der Kugeloberfläche
1 \(h\) \(M = 2~\pi~r~h\) \(h/(2r)\)   Brotkrustentheorem des Archimedes
2 \(s\) \(M = 2~\pi~r~(r-\sqrt{r^2-s^2})\) \(\left(1-\sqrt{1-(s/r)^2}\right)/2\)
3 \(\alpha\) \(M = 2~\pi~r^2~(1-\text{cos}~\alpha)\) \((1-\text{cos}~\alpha)/2\)
4 \(b\) \(\boldsymbol{M = 2~\pi~r^2~(1-r/b)}\) \(\boldsymbol{(1-r/b)/2}\)

Tabelle 1

Formel 1

Dies ist die gängigste Formel zur Berechnung von \(~M~\).  Ist \(~h~\) gegeben, so erhält man \(~M~\) mit Hilfe der Integralrechnung, siehe z.B. den Beweis in MathWorld.

Formel 1 gibt im Wesentlichen das Archimedische Brotkrustentheorem wieder. Denn sie zeigt, dass die Mantelfläche der Kappe proportional zur Höhe der Kappe ist. Da für kugelförmige Brote die Kruste einer Brotscheibe die Differenzmenge zweier Kappen ist, ist der Flächeninhalt der Kruste proportional zur Dicke der Scheibe. Insbesondere hat Archimedes damit bewiesen, dass gleich dicke Scheiben gleich viel Kruste haben, egal an welcher Stelle sie aus dem Brot geschnitten werden  –  auch wenn es sich um ein Endstück handelt.

Das Brotkrustentheorem des Archimedes wurde bereits im ersten Monatsproblem (Oktober 2000) auf dieser Website angewendet.

Zwei Briefmarken, die Archimedes gewidmet wurden, sind auf dieser Website vorgestellt worden: Briefmarke # 33 und Briefmarke # 103.

Man findet das Brotkrustentheorem u.a. auf der Website  exzuberant.


Formel 2

Diese Formel folgt direkt aus Formel 1: \(~h~\) lässt sich mit Pythagoras durch \(~r~\) und \(~s~\) ausdrücken; siehe Bild 1.


Formel 3

Man zieht in Formel 2 ein \(~r~\) vor die Klammer. Unter der Wurzel steht dann \(~1-(s/r)^2~=~1 - sin^2~\alpha~=~cos^2~\alpha~\);  siehe Bild 1.


Formel 4

Diese Formel folgt direkt aus Formel 3; siehe Bild 1.

Die meisten Formelsammlungen enthalten Formel 4 nicht, deshalb ist sie hier hervorgehoben. Es gibt zahlreiche Anwendungen, die die Entfernung \(~b~\) verwenden, z.B.:

–  Welchen Teil der Erdoberfläche überblickt man von einer Bergspitze aus (oder aus dem Flugzeug, oder von der ISS)?

–  Welcher Teil einer Kugel wird von einer Lichtquelle beleuchtet?

–  Von wo kann man den Mond sehen?


Ergebnis

Wir setzen für den mittleren Erdradius \(~r=6.371~\text{km}~\) ein.  –  Der Mond ist zwischen \(~363.300~\text{km}~\) und \(~405.500~\text{km}~\) von der Erde entfernt (bezogen auf die Mittelpunkte); für \(~b~\) in Bild 1 und Tabelle 1 sind diese Werte noch zu korrigieren mit dem Mondradius \(~1.737~\text{km}~\) (das wurde in Problem # 132 wegen Geringfügigkeit unterlassen).

In Tabelle 2a wurde die beleuchtete Fläche mit Formel 4 aus Tabelle 1 berechnet. \(~\alpha = \text{arccos}~r/b~\) ergibt sich aus Bild 1 oder den Formeln 3 und 4. \(~\boldsymbol{\pm\alpha}~\) sind auch die Breitengrade, zwischen denen die Erde bei einer Monddeklination von \(~\boldsymbol{\delta=~0°}\) beleuchtet wird bzw. von wo man den Mond sehen kann (zur Erinnerung: hier nur bezogen auf den Mittelpunkt der Mondscheibe).

  \(b\) \(\alpha\) Anteil der vom Mond beleuchteten Erdoberfläche
Min. \(361.563~\text{km}\) \(88,99°\) \(~~~49,12~\%\)
Max. \(403.763~\text{km}\) \(89,096°\) \(~~~49,21~\%\)

Tabelle 2a   Erdmond

Die in Tabelle 2a angegebenen Nachkommastellen wurden mit den Formeln in Tabelle 1 berechnet, aber sie vermitteln nur eine Pseudogenauigkeit. Die zugrundeliegenden Annahmen sind vereinfacht (z.B. Erde und Mond kugelförmig). Die Refraktion durch die Atmosphäre wurde ebenfalls nicht berücksichtigt, da die Formeln auch auf andere Himmelskörper anwendbar sein sollen.

Zum Vergleich stellen wir in Tabelle 2b die gleichen Berechnungen für den Mond mit der größten Exzentrizität in unserem Sonnensystem an, den Mond Nereid des Neptun. Die Korrektur mit dem Mondradius kann hier entfallen, da Nereid sehr klein ist. Für den mittleren Neptunradius setzen wir \(~r=24.622~\text{km}~\) ein.

  \(b\) \(\alpha\) Anteil der von Nereide beleuchteten Neptunoberfläche
Min. \(1.374.587~\text{km}\) \(88,97°\) \(~~~49,10~\%\)
Max. \(9.652.987~\text{km}\) \(89,85°\) \(~~~49,87~\%\)

Tabelle 2b   Neptunmond Nereide


II.  Scheibenförmige Lichtquelle

In Tabelle 3a folgen \(b~\) und \(~\alpha~\) der Tabelle 2a. \(~\alpha~\) in Bild 1 wird nun zu \(~\tilde{\alpha}~\) korrigiert, indem der der Mondrand als Lichtquelle sowie die Refraktion berücksichtigt werden. Der Mondradius als Winkel bezogen auf den Erdmittelpunkt variiert wegen des unterschiedlichen Abstands von Erde und Mond und wird zu \(~\alpha~\) addiert. Außerdem addieren wir den Winkel der Refraktion.

  \(b\) \(\alpha\) Mondradius Refraktion
in Horizontnähe
\(\tilde{\alpha}\) beleuchtet
Min. \(361.563~\text{km}\) \(88,99°\) \(0,274°\) \(0,59°\) \(89,854°\) \(49,87~\%\)
Max. \(403.763~\text{km}\) \(89,096°\) \(0,245°\) \(0,59°\) \(89,931°\) \(49,94~\%\)

Tabelle 3a   Erdmond

Zum Vergleich stellen wir in Tabelle 3b die gleichen Berechnungen für den zweitgrößten Mond in unserem Sonnensystem an, den Mond Titan des Saturn. Für den mittleren Saturnradius setzen wir \(~r=58.232~\text{km}~\) ein.

  \(b\) \(\alpha\) Mondradius \(\tilde{\alpha}\) beleuchtet
Min. \(1.183.575~\text{km}\) \(87,18°\) \(0,125°\) \(87,305°\) \(47,65~\%\)
Max. \(1.254.935~\text{km}\) \(87,34°\) \(0,118°\) \(87,458°\) \(47,78~\%\)

Tabelle 3b   Saturnmond Titan


Fazit

Die Differenzierung in Minimum / Maximum erbringt keine signifikant unterschiedlichen Ergebnisse, mit Nereid als Ausnahme. Die Einbeziehung der ganzen Mondscheibe und der Refraktion macht sich allerdings deutlicher bemerkbar.  –  Nochmal der Hinweis: Es wurde mit vereinfachenden Annahmen gerechnet, so dass man nicht von einer hohen Präzision der tabellierten Werte ausgehen kann.



Kategorie: Geomathematik



Stand 2022-01-17


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