Manfred Börgens Mathematische Probleme # 129 |
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Stammbrüche mit endlicher \(b\)-adischer Darstellung
Die Lösung steht im unteren Teil der Seite.
1.
Wir werden rationale Zahlen als Bruch schreiben (der Einfachheit halber mit Zähler und Nenner im Dezimalsystem) sowie mit Nachkommastellen in \(b\)-adischer Darstellung. Die Basis \(b\) soll eine beliebige natürliche Zahl \(~\ge~2~\) sein.
Nun sollen zunächst die Leserinnen und Leser mit einer (einfachen) Recherche herausfinden, welche Brüche eine endliche \(~b\)-adische Darstellung aufweisen, also eine Darstellung mit nur endlich vielen Nachkommastellen \(~\neq~0~\).
2.
Aus 1. ziehen wir eine Folgerung: Für welche (verschiedenen) \(b\) ergeben sich die gleichen Mengen von Brüchen mit endlicher \(b\)-adischer Darstellung? Man vergleiche etwa unser Dezimal- mit dem Vigesimalsystem der Maya (→ Briefmarke # 39), oder das Dual- mit dem Hexadezimalsystem.
3.
Ab hier werden nur noch Stammbrüche betrachtet. Wir kommen zur zentralen Aufgabe dieser Problemseite: Es ist nachzuweisen, dass die Summe der Stammbrüche mit endlicher \(b\)-adischer Darstellung endlich ist. Wie groß ist diese Summe?
— Damit ist gezeigt, dass diese Brüche nur "dünn gesät" sind.
— Ein Tipp kann abgerufen werden, indem der Rest dieser Zeile markiert wird: Im Dezimalsystem ergibt sich diese Summe als Produkt zweier geometrischer Reihen.
4.
Die Summe aus 3. ist natürlich nach unten durch \(1\) beschränkt. Ist diese Summe über alle \(b\) nach oben beschränkt?
1.
Welche Brüche eine endliche \(b\)-adische Darstellung haben, hängt von der Primfaktorzerlegung von \(b\) ab. Sei \(~b = \prod_{i=1}^m~p_i^{r_i}~\) mit \(~p_i~\) prim und paarweise verschieden, \(~r_i\ge 1~\). Ein maximal gekürzter Bruch hat genau dann eine endliche \(b\)-adische Darstellung, wenn in seinem Nenner nur Potenzen der \(~p_i~\) stehen (incl. \(~p_i^0~\)).
2.
Aus 1. ergibt sich die Folgerung, dass die Potenzen \(~r_i~\) in der Darstellung von \(~b~\) keine Rolle für die "erlaubten" Brüche spielen. Wenn also die \(~p_i~\) für zwei verschiedene \(~b~\) übereinstimmen, ergeben sich die gleichen Mengen von Brüchen. Das heißt natürlich nicht, dass die \(b\)-adischen Darstellungen dieser Brüche für verschiedene \(~b~\) gleich aussehen.
Beispiele: \(~v/2^{q_1}\cdot 5^{q_2}\) (maximal gekürzt) mit \(~q_i \ge 0~\) sind die Brüche mit endlicher Darstellung im Dezimal- und im Vigesimalsystem.
→ \((59/50)_{10} = 1,18_{10} = \text{1,3C}_{20}\)
\(~v/2^q\) (maximal gekürzt) mit \(~q \ge 0~\) sind die Brüche mit endlicher Darstellung im Dual- und im Hexadezimalsystem.
→ \((23/32)_{10} = 0,10111_2 = 0,\text{B}8_{16}\)
3.
Wir wollen zeigen: Die Summe der Stammbrüche mit endlicher \(b\)-adischer Darstellung ist endlich. – Für \(~b=10~\) wurde diese Summe in The Riddler 2022-05-06 (Solution Riddler Express) angegeben. Dort wurde verwendet, dass die Brüche \(~1/(2^{q_1} \cdot 5^{q_2})~\) die Summanden in dem ausmultiplizierten Produkt \(~(\sum_{q\ge 0} 1/2^q)~(\sum_{q\ge 0} 1/5^q)~\) sind. Das lässt sich leicht auf eine Basis \(~b = p_1^{r_1}~\cdot~...~\cdot~p_m^{r_m}~\) verallgemeinern:
\[\textbf{(1)}~~~\text{Der Stammbruch}~~1/\prod_{i=1}^m p_i^{q_i}~~\text{ist ein Summand im ausmultiplizierten Produkt}~~\prod_{i=1}^m~\sum_{q=0}^{\infty}~\frac{1}{p_i^q}~,~\text{und umgekehrt}.\]
Die Summe \(~S~\) aller Stammbrüche mit endlicher \(b\)-adischer Darstellung erhalten wir aus (1) mit dem Wert der geometrischen Reihen:
\[\textbf{(2)}~~~S = \prod_{i=1}^m~\frac{p_i}{p_i-1}\]
\(b=10,~b=20:~~S = 2,5~~~~\)(dezimal, vigesimal)
\(b=2,~b=16:~~S = 2~~~~\)(dual, hexadezimal)
4.
Ist S aus (2) über alle \(~b~\) nach oben beschränkt?
Für \(~b \le M~\) ist offenbar \(~S~\) maximal, wenn die \(~p_i~\) nach aufsteigender Anordnung maximal viele und lückenlos aufeinander folgende Primzahlen sind, die mit \(~p_1=2~\) beginnen und die alle in mindestens einem dieser \(~b~\) vorkommen. In Bild 1 sieht man das für \(~M=100~\). Die drei "Peaks" mit \(~S=3,75~\) (schwarze Balken) stehen bei \(~b=30,~60,~90~\); das sind die \(~b~\), die genau die Primfaktoren \(~2,~3,~5~\) enthalten (denn schon \(~2 \cdot 3 \cdot 5 \cdot 7 =210~\) überschreitet \(~M~\)) .
Bild 1 Summe der Stammbrüche mir endlicher \(~b\)-adischer Darstellung für \(~b = 2~...~100\)
Schwarzer Balkenrand: Dual- und Hexadezimalsystem; grüner Balkenrand: Dezimal- und Vigesimalsystem
Es liegt also nahe, für wachsende \(~x~\) das folgende Produkt zu untersuchen:
\[S_x = \prod_{p~prim,~p\le x}\frac{p}{p-1}\]
Falls \(~S_x~\) unbeschränkt ist, gilt das auch für \(~S~\). Es würde reichen, die Unbeschränktheit von \(~\text{ln}~S_x~\) zu zeigen; mit der Logarithmierung wird aus dem Produkt eine Summe, die leichter handhabbar ist:
\[\text{ln}~S_x = \sum_{p~prim,~p\le x}(\text{ln}~p~-~\text{ln}(p-1))~\gt\sum_{p~prim,~p\le x}\text{ln}'~p~=~\sum_{p~prim,~p\le x}\frac{1}{p}\]
Hier können wir einen bekannten Satz aus der Zahlentheorie anwenden: Die Summe der reziproken Primzahlen ist unendlich. Also gilt: Für die Gesamtheit der Basen \(~b~\) sind die Stammbruchsummen nach oben unbeschränkt.
Das Wachstum von \(~\text{ln}~S_x~\) und von \(~S_x~\) kann man genauer angeben:
\[\text{ln}~S_x~=~\text{ln}~\text{ln}~x~+\gamma + a(x)~~~\text{mit}~~\lim_{x \to \infty}a(x)=0\]
Dabei ist \(~\gamma~\) die Euler-Mascheroni-Konstante (\(\gamma = 0,5772\)...). \(~\text{ln}~S_x~\) wächst also asymptotisch wie \(~\text{ln}~\text{ln}~x~+\gamma~\).
\(S_x~\) wächst somit größenordnungsmäßig wie \(~\text{ln}~x~\), genauer:
\[\lim_{x \to \infty}\frac{S_x}{\text{ln}~x}=e^\gamma\approx 1,7811\]
Literatur zu den zahlentheoretischen Propositionen:
O. Forster: Analytische Zahlentheorie, Kap. 2
Kategorie: Zahlen und Zahlsysteme, Berechnung von π
Publiziert 2024-12-17 Stand 2022-12-30
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