Manfred Börgens
Mathematische Probleme  # 128
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Quader unterm Zeltdach  –  Teil 2

          Die Lösung steht im unteren Teil der Seite.

in Problem 127 haben wir das Volumen eines Quaders unter einem Zeltdach maximiert. Am Schluss der Lösung wurde eine besonders einfache Variante vorgestellt, die aufgrund der Symmetrie des Zeltdachs bzgl. der Koordinaten \(~x~\) und \(~y~\) nur Quader berücksichtigt, deren Basis quadratisch ist. Damit reduziert man das Problem auf eine Optimierungsaufgabe in einer Variablen  –  mit dem gleichen Endergebnis.

Offen gelassen wurde die Frage, ob diese Variante nur zufällig zum richtigen Ergebnis führt oder ob man das immer so machen kann, wenn die Variablen \(~x~\) und \(~y~\) vertauschbar sind.

Natürlich ist dieses Verfahren nicht legitim! Die Berechnungen am Ende der Lösung und Bild 3 in Problem 127 zeigen, dass das Volumen genau ein relatives und absolutes Maximum hat, das dann zwangsläufig über der Geraden \(~x=y~\) liegt. Es fällt aber nicht schwer sich vorzustellen, dass man zwei oder mehr davon findet, die dann jeweils symmetrisch zu dieser Geraden liegen müssen.

Das im Folgenden vorgestellte Problem gibt dafür ein Beispiel. Wir werden ein in \(~x,~y~\) symmetrisches Zeltdach definieren und einen Quader wie in Problem 127 einbeschreiben. Aber diesmal hat der Quader mit maximalem Volumen keine quadratische Basis.

Die Leser dieser Seite können verschiedene (symmetrische) Zeltdächer ausprobieren; ich vermute, sie finden (zunächst) entweder kein absolutes Maximum oder genau eines mit quadratischer Quaderbasis. Man muss schon ein wenig suchen, um festzustellen, dass das eben im Allgemeinen nicht so ist. Unser Beispiel auf dieser Seite sieht schwieriger aus, denn die Funktion für das Zeltdach ist deutlich komplizierter als in Problem 127. Aber die Methode zur Extremwertbestimmung einer Funktion mit zwei unabhängigen Variablen ist natürlich genau die gleiche  –  und ohne Hilfe durch mathematische Software geht es schon in Problem 127 nicht und hier erst recht nicht.

Damit ist der Sinn des hier vorgestellten Problems umrissen. Es wird eine Optimierungsaufgabe für zwei unabhängige Variablen präsentiert, die sehr schön zeigt, wie man sich mathematischer Software zur Diskussion komplizierter Funktionen bedienen kann.


Wir betrachten ein Zeltdach über dem ersten Quadranten der cartesischen Ebene. Es wird definiert durch \[z = \frac{1+x^2+y^2}{\left(1+(x+2)^2(y+2)^2\right)^2}\] Bild 1 zeigt die Gestalt des Dachs: Der Aufhängepunkt über \((0,0)\) sitzt auf der Höhe \(z = 1/289\approx~0,00346~\).  In \(~x\)-  und in \(~y\)-Richtung fällt das Dach ab; es hat eine ähnliche Gestalt wie das Zeltdach in Problem 127.

Zeltdach
Bild 1


Unter dem Zeltdach soll wieder ein Gebäude errichtet werden. Es hat die Form eines achsenparallelen Quaders mit den Seitenlängen \(~x_1,~y_1,~z_1~\) und soll das größtmögliche Volumen haben. Eine seiner Ecken liegt in \((0,0,0)\), diagonal gegenüber stößt der Quader im Punkt \((x_1,~y_1,~z_1)\) an das Zeltdach an.  Wie sind \(~x_1,~y_1,~z_1~\) zu wählen ?



Lösung



Für beliebige Kantenlängen \(~x,~y,~z~\) ist das Volumen der Quaders: \[V = x\cdot y\cdot z = \frac{x~y~(1+x^2+y^2)}{\left(1+(x+2)^2(y+2)^2\right)^2}\] An den Rändern des ersten Quadranten ist \(~V=0~\) (absolutes Minimum), also braucht nur das Innere des Definitionsbereiches betrachtet zu werden, d.h. \(~x,~y\gt 0~\).

Da wir Maxima suchen, ist auch der Grenzwert \(~V\rightarrow 0~\) für \(~x\rightarrow +\infty~,~~y\rightarrow +\infty~\) wichtig (dies folgt aus dem Grad der Polynome in Zähler und Nenner).

Für die Extremwertbestimmung von \(~V~\) wenden wir das gleiche Verfahren wie in Problem 127 an; es wird deshalb hier etwas abgekürzt dargestellt:

Mit den ersten Ableitungen setzen wir \(~V_x = V_y = 0~\) zur Ermittlung der kritischen Punkte und erhalten drei Lösungen: \[(x_1,~y_1) \approx (5,32381,~0,698465)\] \[(x_2,~y_2) \approx (0,698465,~5,32381)\] \[(x_3,~y_3) \approx (1,75542,~1,75542)\] Wie erwartet, liegen die beiden ersten Lösungen symmetrisch zur Winkelhalbierenden \(~x=y~\).

Wir haben die Ableitungen nicht angegeben, da sie viel Platz in Anspruch nehmen und uns wegen ihrer recht komplizierten Gestalt auch keine Erleuchtung bringen. Es wurde Mathematica(R) zur Nullstellenbestimmung eingesetzt, dabei wurden erfolgreich Polynomgleichungen 4. Grades in zwei Variablen gelöst.  –  Es geht weiter mit den zweiten Ableitungen: In \[H = V_{xx}\cdot V_{yy}-V_{xy}^2\] werden die kritischen Punkte eingesetzt: \[(x,~y)=(x_1,~y_1)~~~~\rightarrow~~~~H \gt 0~,~~~V_{xx}\lt 0~,~~~~V_{yy}\lt 0\] \[(x,~y)=(x_2,~y_2)~~~~\rightarrow~~~~H \gt 0~,~~~V_{xx}\lt 0~,~~~~V_{yy}\lt 0\] \[(x,~y)=(x_3,~y_3)~~~~\rightarrow~~~~H \lt 0\] Wir erhalten also mit \((x_1,~y_1)\) und \((x_2,~y_2)\) zwei strikte Maxima. \(~(x_3,~y_3)\) ist ein Sattelpunkt. Bild 2 zeigt den Graphen von \(~V~\).  Die Maxima sind gut erkennbar. Der Sattelpunkt liegt in dem V-förmigen Bereich ganz vorne im Bild.

Maxima

Bild 2   Volumen \(~V~\) des Quaders in Abhängigkeit von seiner Breite \(~x~\) und Tiefe \(~y~\)

\[(x,~y)=(x_{1,2~},~y_{1,2~})~~~~\rightarrow~~~~z_{1,2~} \approx 1,9455\cdot 10^{-4}~~~~\rightarrow~~~~V_{max} \approx 7,2343\cdot 10^{-4}\]


Das Gebäude unter dem Zeltdach umfasst das maximale Volumen, wenn man folgende Maße wählt:

Seitenlängen der Basis (gerundet): \(~5,32381~\) und \(~0,698465\)

\(~~~~~~~~~~~~~~~\rightarrow~~~~~\)Höhe (gerundet): \(~1,9455\cdot 10^{-4}~~~~\rightarrow~~~~\)Volumen (gerundet): \(~7,2343\cdot 10^{-4}\)



Bei Aufgaben dieser Art wird leicht vergessen zu prüfen, ob die gefundenen Quader vollständig unter das Dach passen. Wenn man sich Bild 1 anschaut, scheint das klar zu sein. Diese Argumentation reicht aber nicht aus; ein rechnerischer Nachweis ist erforderlich. Außerdem liegt nicht immer ein Bild vor; der Graph für \(~z~\) könnte "wellig" sein und somit stellenweise niedriger liegen als die Oberseite des Quaders.

Zu zeigen ist \(~z(x,y) \ge~z(x_i,y_i)~\) für \(~x \le x_i~\) und \(~y \le y_i~\). Hier geht das am einfachsten, indem man für die Ableitungen von \(~z~\) zeigt: \[z_x \lt 0~,~~z_y \lt 0\] Das bedeutet nämlich, dass die Dachfläche vom Punkt \(~(x_1,~y_1,~z_1)~\) zu den beiden Rändern des Quadranten in \(~x\)-  und in \(~y\)-Richtung ansteigt. \[z_x = \frac{2(9x-4x^3-16)+2y(8x-4x^3-16)-2y^2(20+6x+x^3+16y+4y^2+8xy+2xy^2)}{\left(1+(x+2)^2(y+2)^2\right)^3}\] Wir müssen also nur zeigen, dass die erste Klammer im Zähler negativ ist (die zweite ist es dann auch). Eine kleine Kurvendiskussion von \(~w = 9x-4x^3-16~\) zeigt, dass \(~w~\) für \(~x\ge 0~\) nur ein Extremum hat, und zwar ein Maximum in \(~x_0=\sqrt{3/4}~\) mit \(~w(x_0) \lt 0~\).

Somit ist \(~z_x \lt 0~.~~~z_y \lt 0~\) folgt aus der Symmetrie von \(~z~\) in \(~x~\) und \(~y~\).


Publiziert 2024-10-23          Stand 2022-02-20


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