Manfred Börgens
Mathematische Probleme  # 127
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Quader unterm Zeltdach  –  Teil 1

          Die Lösung steht im unteren Teil der Seite.

Über dem ersten Quadranten der cartesischen Ebene ist ein Zeltdach aufgespannt. Der Aufhängepunkt über \((0,0)\) sitzt auf der Höhe \(~z=1~\). In \(~x\)- und in \(~y\)-Richtung fällt das Dach ab. Bild 1 zeigt die Gestalt des Dachs:

Zeltdach
Bild 1 \[z = \frac{1}{1+(x+0,6\cdot y)^3}\]
Hier kommt eine Aufgabe für Problemlöser, die sich gerne mit Werkzeugen aus der mathematischen Softwarekiste helfen lassen. Denn von Hand wird's ein wenig aufwändig:

Unter dem Zeltdach mit der Funktion \(~z = \left(1+(x+a\cdot y)^3\right)^{-1}~\) für \(~x,~y\ge 0~\) und einem festen \(~a\gt 0~\) soll ein Gebäude errichtet werden. Es hat die Form eines achsenparallelen Quaders mit den Seitenlängen \(~x_1,~y_1,~z_1~\) und soll das größtmögliche Volumen haben. Eine seiner Ecken liegt in \((0,0,0)\), diagonal gegenüber stößt der Quader im Punkt \((x_1,~y_1,~z_1)\) an das Zeltdach an, siehe Bild 2.  Wie sind \(~x_1,~y_1,~z_1~\) zu wählen ?

Zeltdach mit Quader

Bild 2   \(a=0,6\)



Lösung



Für beliebige Kantenlängen \(~x,~y,~z~\) ist das Volumen der Quaders: \[V = x\cdot y\cdot z = \frac{x\cdot y}{1+(x+a\cdot y)^3}\] An den Rändern des ersten Quadranten ist \(~V=0~\) (absolutes Minimum), also braucht nur das Innere des Definitionsbereiches betrachtet zu werden, d.h.\(~x,~y\gt 0~\).

Für die Extremwertberechnung ist auch der Grenzwert \(~V\rightarrow 0~\) für \(~x\rightarrow +\infty~,~~y\rightarrow +\infty~\) wichtig (dies folgt aus dem Grad der Polynome in Zähler und Nenner).

Wir suchen das Maximum von \(~V~\) und berechnen dafür die Ableitungen: \[V_x = \frac{y\left(1+(x+ay)^2(ay-2x)\right)}{\left(1+(x+ay)^3\right)^2}\] \[V_y = \frac{x\left(1+(x+ay)^2(x-2ay)\right)}{\left(1+(x+ay)^3\right)^2}\] Berechnung der kritischen Punkte: \(~V_x = V_y = 0\)

Wir erhalten nur eine Lösung: \[(x_1,~y_1) = \left(\frac{1}{2^{2/3}},~\frac{1}{a\cdot 2^{2/3}}\right) \approx 0,63\cdot \left(1,~\frac{1}{a}\right)\] Berechnung der 2. Ableitungen: \[V_{xx} = \frac{6y(x+ay)\left(x^3(x+2ay)-(1+a^3y^3)(2x+ay)\right)}{\left(1+(x+ay)^3\right)^3}\] \[V_{yy} = \frac{6ax(x+ay)\left(a^3y^3(2x+ay)-(1+x^3)(x+2ay)\right)}{\left(1+(x+ay)^3\right)^3}\] \[V_{xy} = \frac{\left(1-2(x+ay)^3\right)\left(1+(x+ay)(x^2-4axy+a^2y^2)\right)}{\left(1+(x+ay)^3\right)^3}\] Damit erhalten wir: \[H = V_{xx}\cdot V_{yy}-V_{xy}^2 = \frac{4(x+ay)\left( (x^2+a^2y^2)(1-x^3-a^3y^3)+axy(5-2x^3)-2a^4xy^4\right)-1}{\left(1+(x+ay)^3\right)^4}\] \[x = x_1,~~y = y_1~~~\rightarrow~~~H = \frac{1}{9}\] Also liegt in \((x_1,~y_1)\) ein striktes Extremum vor; weitere Extrema gibt es nicht. \[x = x_1,~y = y_1~~~\rightarrow~~~V_{xx} = -\frac{1}{3a},~~V_{yy} = -\frac{a}{3}\] Also liegt in \((x_1,~y_1)\) ein striktes Maximum vor. Bild 3 zeigt den Graphen von \(~V\).
Maximum

Bild 3   Volumen \(~V~\) des Quaders in Abhängigkeit von seiner Breite \(~x~\) und Tiefe \(~y~\);  mit \(~a=0,6\) \[x = x_1,~~~y = y_1~~~~\rightarrow~~~~z_1 = \frac{1}{3}~~~~\rightarrow~~~~V_{max} = \frac{1}{6\cdot \sqrt[3]{2}\cdot a}\] In den Bildern 1, 2, 3 ist dann \[x_1 \approx 0,63~~~~~~~~~~y_1 \approx 1,05~~~~~~~~~~z_1 = 0,\overline{3}~~~~~~~~~~V_{max} \approx 0,22\]


Das Gebäude unter dem Zeltdach umfasst das maximale Volumen, wenn man folgende Seitenlängen wählt: \[x_1 = \frac{1}{2^{2/3}},~~~~y_1=\frac{1}{a\cdot 2^{2/3}}~~~~\rightarrow~~~~z_1 = \frac{1}{3}~~~~\rightarrow~~~~ V_{max} = \frac{1}{6\cdot \sqrt[3]{2}\cdot a}\] \[x_1 \approx 0,63~~~~~~~~~~y_1 \approx \frac{0,63}{a}~~~~~~~~~~z_1 = 0,\overline{3}~~~~~~~~~~V_{max} \approx \frac{0,132}{a}\]


Bei Aufgaben dieser Art wird leicht vergessen zu prüfen, ob die gefundenen Quader vollständig unter das Dach passen. Wenn man sich Bild 2 anschaut, scheint das klar zu sein. Diese Argumentation reicht aber nicht aus; ein rechnerischer Nachweis ist erforderlich. Außerdem liegt nicht immer ein Bild vor; der Graph von \(~z~\) könnte "wellig" sein und somit stellenweise niedriger liegen als die Oberseite des Quaders.

Zu zeigen ist \(~z(x,y) \ge~z(x_i,y_i)~\) für \(~x \le x_i~\) und \(~y \le y_i~\).

Beim hier gewählten Zeltdach ist das einfach: Denn \(~z~\) ist offenbar streng monoton fallend für wachsende \(~x~\) und \(~y~\).


Gibt es auch einen einfacheren Lösungsweg ?  Man kann zunächst mit \(~y~\) statt \(~a\cdot y~\) rechnen und am Ende in den Ergebnissen \(~y/a~\) für \(~y~\) einsetzen. Das ergibt keine wirklich große Vereinfachung; aber das Problem wird dadurch symmetrisch (d.h. \(~x~\) und \(~y~\) sind vertauschbar). Man erhält \[x_1 = y_1 = \frac{1}{2^{2/3}},~~z_1 = \frac{1}{3},~~V_{max} = \frac{1}{6\cdot \sqrt[3]{2}}\] Die Symmetrie von \(~z~\) in \(~x~\) und \(~y~\) könnte noch einen weiteren Vereinfachungsschritt nahelegen, nämlich eine symmetrische Lösung mit \(~x_1=y_1~\) zu suchen; der Quader hat dann eine quadratische Basis, und \(~V~\) hängt nur von einer Variablen ab. Das ergibt natürlich eine massive Vereinfachung: \[V = \frac{x^2}{1+8x^3}~,~~~V' = \frac{2x\cdot (1-4x^3)}{(1+8x^3)^2}\] Dies führt sofort auf die bereits erhaltene Lösung.

Falls beim Leser Zweifel aufkommen sollten, ob diese vereinfachte Methode legitim ist: Im nächsten Problem 128 (Zeltdach Teil 2) werden wir diese Frage nochmal aufgreifen.



Publiziert 2024-06-11          Stand 2022-02-20


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