Manfred Börgens Mathematische Probleme # 53 |
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Wieviele Spiele ?
Die Lösung steht im unteren Teil der Seite.
Im Monatsproblem Juli/August 2001 wurde die Frage diskutiert, bei welcher Anzahl von Spielen der schwächere Spieler die besten Aussichten auf den Gesamtsieg hat. Das Resultat kann man so zusammenfassen:
Zwei Spieler bestreiten eine Serie von Einzelpartien, die kein Unentschieden zulassen. Die Spielstärke der beiden ist nicht gleich: Der schwächere Spieler gewinnt mit Wahrscheinlichkeit p < 1/2 , der stärkere mit q > 1/2 .
Falls eine ungerade Anzahl N = 2n + 1 von Spielen vereinbart wird, sinkt die Chance für den Gesamtsieg des schwächeren Spielers streng monoton mit wachsendem n . Er hätte also die besten Aussichten, wenn nur ein einziges Spiel stattfände (d.h. n = 0 ).
Für dieses Problem gibt es eine interessante Verallgemeinerung, deren Lösung nicht so leicht vorhersehbar ist wie im oben dargestellten Fall. Es soll nämlich jetzt auch eine gerade Anzahl N = 2n von Spielen erlaubt sein. Dann können natürlich auch Unentschieden bei der Gesamtwertung vorkommen.
Bei den folgenden Fragen soll der Spieler A jede Einzelpartie mit Wahrscheinlichkeit p gewinnen ( 0 < p < 1 ) und sein Gegner B mit Wahrscheinlichkeit q = 1 - p .
1.
Sei N eine beliebige natürliche Zahl. Wie groß ist die Chance von A auf Sieg, Unentschieden und Niederlage in der Gesamtwertung?
2.
Sei N eine beliebige natürliche Zahl. Für welches N sind die Aussichten von A auf den Gesamtsieg am besten?
Nun kommt die Kernfrage - mit einer nur schwer zu erratenden Lösung.
3.
Sei N gerade. Für welches N sind die Aussichten von A auf den Gesamtsieg am besten?
4.
Diskutieren Sie das Monotonie- und Grenzwertverhalten der Wahrscheinlichkeiten für Sieg, Unentschieden und Niederlage.
Tipp: Wenden Sie einen der Grenzwertsätze der Wahrscheinlichkeitsrechnung an.
5.
Eine naheliegende Variante entsteht durch die "Neutralisierung" der Unentschieden. Was ändert sich bei den Fragen 2 - 4, falls Unentschieden nicht gewertet werden?
Das kann man sich so vorstellen: Gewinnt A, erhält er einen Euro; verliert er, zahlt er einen Euro; bei Unentschieden fließt kein Geld. Wie maximiert A seinen Ertrag?
6.
Eine weitere Variante ergibt sich aus der Änderung der Spielregel: Was ändert sich bei den Fragen 2 - 4, falls auch ein Unentschieden schon zum Gesamtsieg von A ausreicht?
Zu 1.
Die Anzahl der Siege für A ist binomialverteilt mit den Parametern N und p . Die Wahrscheinlichkeit wN für seinen Gesamtsieg in N Spielen ist dann die Summe der Wahrscheinlichkeiten für mehr als N/2 Siege. Sowohl für gerade N = 2n als auch für ungerade N = 2n + 1 sind das mindestens n + 1 Siege. Also gewinnt A mit folgender Wahrscheinlichkeit:
Ein Unentschieden kann nur für gerade N vorkommen, und zwar mit der folgenden Wahrscheinlichkeit:
Daraus ergibt sich die Wahrscheinlichkeit für eine Niederlage von A:
Ein Beispiel:
Gewinnt ein Spieler im Mittel 40 % aller Spiele und vereinbart mit seinem Gegner 15 Partien, so beträgt seine Chance auf den Gewinn der Serie nur 21,31 %. Werden 16 Partien vereinbart, so sinken seine Gewinnchancen auf 14,23 %; die Serie würde in 14,17 % aller Fälle unentschieden enden.
Zu 2.
Für ungerade N können wir die Ergebnisse aus dem Monatsproblem Juli/August 2001 heranziehen. Bei p = 1/2 spielt die Anzahl der Spiele keine Rolle, alle wN = w2n+1 sind dann identisch gleich 1/2 . Für p < 1/2 fällt die Folge der wN = w2n+1 streng monoton mit wachsendem n , also liegt das Optimum bei N = 1 . Für p > 1/2 wächst wN = w2n+1 streng monoton mit wachsendem n , also gibt es kein Optimum; für einen solchen Spieler würde gelten: Je mehr Spiele, desto besser.
Lässt man beliebige N zu, so zeigt eine leichte Überlegung, dass die Chance auf einen Sieg in einer geraden Anzahl von Partien immer kleiner ist als bei den benachbarten ungeraden Anzahlen, d.h. es gilt w2n+1 > w2n+2 < w2n+3 für alle n . Zur ersten Ungleichung: Liegt man nach 2n + 1 Partien im Rückstand, so kann man maximal ein Unentschieden erreichen; führt man aber mit genau n + 1 Siegen, kann man den Gesamtsieg mit einer Niederlage in der (2n + 2)-ten Partie verspielen. Zur zweiten Ungleichung: Nach 2n + 2 gespielten Partien behält A auf jeden Fall seine Führung oder seinen Rückstand auch in der folgenden Partie; aber ein Unentschieden lässt sich in eine Führung verwandeln. - Generell sollte man also eine ungerade Anzahl von Spielen bevorzugen, und zwar möglichst viele bei p > 1/2 und möglichst wenige bei p < 1/2 .
Das wichtigste Resultat in diesem Abschnitt ist somit: Die Chancen des schwächeren Spielers, also bei p < 1/2 , sind am größten, wenn nur ein einziges Spiel stattfindet: N = 1 .
Zu 3.
Wir betrachten eine Serie von N + 2 = 2n + 2 Spielen. Mit Wahrscheinlichkeit p1 "dreht" sich das Gesamtergebnis in den letzten beiden Spielen zugunsten von A, nämlich wenn er genau n Siege aus den ersten N Spielen erzielt hat und dann die beiden letzten Spiele gewinnt. Mit Wahrscheinlichkeit p2 "dreht" sich das Gesamtergebnis in den letzten beiden Spielen zuungunsten von A, nämlich wenn er genau n + 1 Siege aus den ersten N Spielen erzielt hat und dann die beiden letzten Spiele verliert. In allen anderen Fällen, also mit Wahrscheinlichkeit 1 - p1 - p2 , gewinnt A genau dann in N + 2 Spielen, wenn er in N Spielen gewinnt. Wir gehen vor wie im Monatsproblem Juli/August 2001 und berechnen p1 - p2 :
Am Ende wurde zur Abkürzung r= 1/1-2p gesetzt. Für das Vorzeichen von p1 - p2 müssen also N und r - 1 verglichen werden.
p = 1/2
Hier muss natürlich die letzte Zeile der Berechnung weggelassen werden. Aus der dritten Zeile geht hervor, dass p1 - p2 > 0 . Also wächst wN streng monoton mit wachsendem (geradem) N .
p > 1/2
B und r sind dann negativ. Deshalb gilt auch hier: p1 - p2 > 0 , und wN wächst streng monoton mit wachsendem (geradem) N .
p < 1/3
Dann ist r < 3 und p1 < p2 für alle N = 2n . Also fällt wN streng monoton mit wachsendem (geradem) N .
p = 1/3
Dann ist r = 3 und p1 = p2 für N = 2 , p1 < p2 für N > 2 . Also ist w2 = w4 und ab w4 fällt die Folge der wN = w2n streng monoton.
1/3 < p < 1/2
1. Fall: r ist keine ungerade natürliche Zahl. Dann ist p1 > p2 für N < r - 1 und p1 < p2 für N > r - 1 . Also wächst die Folge wN = w2n erst streng monoton bis zu einem Maximum und fällt dann streng monoton. Das größte N mit N < r - 1 ist gleich [r] - 1 , falls [r] ungerade, und gleich [r] - 2 , falls [r] gerade ( [.] Gaußklammer). Da der "letzte" Anstieg in der Folge von diesem N nach N + 2 erfolgt (siehe Definition p1 - p2 ), liegt das Maximum der wN bei [r] + 1 (falls [r] ungerade) bzw. bei [r] (falls [r] gerade).
2. Fall: r ist natürlich und ungerade. Für N = r - 1 ist p1 = p2 , also wN = wN+2 . Für N < r - 1 und N > r - 1 gilt wieder p1 > p2 bzw. p1 < p2 wie im 1. Fall. Das Maximum der Folge der wN liegt somit bei N = r - 1 und N = r + 1 .
Das interessante Hauptergebnis ist:
Die optimale (gerade) Anzahl N von Spielen für den schwächeren Spieler hängt von seiner Spielstärke p ab. Für p > 1/3 ist das optimale N nicht das minimale N , sondern ein N > 2 oder zwei benachbarte Werte von N .
Zusammenfassung
Für eine gerade Anzahl N von Spielen und p ≥ 1/2 gibt es kein optimales N ; hier heißt die Devise: Je mehr Partien, desto besser. Für p < 1/2 und r = 1/1-2p ist das gesuchte optimale N , das wN maximiert:
Nopt = 2 p < 1/3
2 und 4 p = 1/3
[r] p > 1/3, [r] gerade
[r] + 1 p > 1/3, [r] ungerade, r nicht natürlich
r - 1 und r + 1 p > 1/3, r natürlich und ungerade
Aus p = 1/3 folgt r = 3 , und aus p < 1/3 folgt r < 3 . Andererseits ist immer r > 1 . Damit lässt sich die Zusammenfassung für p < 1/2 komprimieren:
Nopt = [r] [r] gerade
[r] + 1 [r] ungerade, r nicht natürlich
r - 1 und r + 1 r natürlich und ungerade
Bemerkung: Zwei optimale Werte für N kommen vor, wenn r positiv und ungerade ist. Beispiele gewinnt man aus p = (r-1)/2/r , also z.B. p = 12/25 = 0.48 .
Beispiel: Hat ein Spieler die Spielstärke p = 0.42 , so beträgt für ihn die optimale Spieldauer 6 Partien; er gewinnt dann die Serie mit der (maximal möglichen) Wahrscheinlichkeit von 20,8 % .
Zu 4.
Das Monotonieverhalten von wN ergibt sich direkt aus den Überlegungen zu 2 und 3. In der Tabelle wird der Einfachheit halber bei "wachsend" und "fallend" der Zusatz "streng monoton" weggelassen.
Monotonie von wN | p < 1/2 | p = 1/2 | p > 1/2 |
N ungerade | fallend | gleich | wachsend |
N gerade | p < 1/3 : fallend p = 1/3 : w2 = w4 , dann fallend p > 1/3 : erst wachsend, dann fallend falls r ungerade : 2 Maxima |
wachsend | wachsend |
N beliebig | oszillierend | oszillierend | oszillierend |
Einige Beispiele sollen grafisch dargestellt werden (optimale Werte für N gerade in Rot):
Waagerechte Achse: N
Senkrechte Achse: W'keit für Sieg von A
p = 0.29
p = 0.4
p = 0.45
p = 0.5
p = 0.55
Das Monotonieverhalten von uN für gerade N = 2n hängt nicht von p ab; uN fällt immer streng monoton. Dies zeigt sich, wenn man uN+2/uN ausrechnet:
Das Monotonieverhalten von vN ergibt sich aus den Überlegungen zu wN . Denn der Spieler A verliert genau dann, wenn der Spieler B gewinnt; dieser Fall erfordert in der Tabelle für wN die Ersetzung von p durch q = 1 - p und entsprechend von r durch r'=1/1-2q . Damit ergibt sich die folgende Übersicht:
Monotonie von vN | p < 1/2 | p = 1/2 | p > 1/2 |
N ungerade | wachsend | gleich | fallend |
N gerade | wachsend | wachsend | p > 2/3 : fallend p = 2/3 : v2 = v4 , dann fallend p < 2/3 : erst wachsend, dann fallend falls r' ungerade : 2 Maxima |
N beliebig | oszillierend | oszillierend | oszillierend |
Für das Grenzwertverhalten der berechneten Wahrscheinlichkeiten werden wir eine Lösung mit Hilfe eines einfachen Grenzwertsatzes angeben. Vorher jedoch soll die Approximation der Binomialverteilung durch die Normalverteilung herangezogen werden, um näherungsweise einen ersten Überblick zu gewinnen. Die Binomialverteilung B mit den Parametern N, p wird für große N durch die Normalverteilung Nμ,σ2 mit den Parametern μ = N·p und σ2 = N·p(1-p) = N·p·q approximiert. Insbesondere gilt dann:
Daraus folgt:
Wir betrachten nun die untere Integrationsgrenze; zur Abkürzung wird D = (2pq)-1/2 gesetzt:
Der Grenzwert für vN ist dann offensichtlich; man muss nur bei wN "kleiner" und "größer" vertauschen.
Nun soll ein exakter Beweis für diese Grenzwerte gegeben werden. Dafür geben wir zunächst einen der Grenzwertsätze der Wahrscheinlichkeitsrechnung und die Stirling'sche Formel an:
Grenzwertsatz
Xk seien Zufallsvariable mit Erwartungswert μ und Standardabweichung σ . Die Zufallsvariable SN sei das arithmetische Mittel ( X1 + ... + XN )/ N . Dann gilt für N -> ∞ : lim p(| SN - μ | ≥ ε ) = 0 für alle ε > 0 . |
Stirling'sche Formel
n! = (2 π n)1/2·nn·e-n·δ mit 1 ≤ δ ≤ e1/12n |
Setzt man Xk = 1 , falls Spieler A das k-te Spiel gewinnt, und Xk = 0 , falls A das k-te Spiel verliert, so ist μ = p , und SN gibt den relativen Anteil von Siegen von A in N Spielen an.
p < 1/2
wN = p( X1 + ... + XN > N/2 ) = p( SN > 1/2 ) ≤ p(|SN - p| > 1/2 - p ) .
Nach dem Grenzwertsatz gilt für N -> ∞ lim p(wN) = 0 .
p > 1/2
wN = 1 - p( X1 + ... + XN ≤ N/2 ) = 1 - p( SN ≤ 1/2 ) ≥ 1 - p(|SN - p| ≥ p - 1/2 ) .
Nach dem Grenzwertsatz gilt für N -> ∞ lim p(wN) = 1 .
p = 1/2
Für N ungerade ist wN = 1/2 wegen der Symmetrie der Binomialverteilung bei p = 1/2 . Für N gerade betrachten wir zuerst die Wahrscheinlichkeit für ein Unentschieden:
Daraus folgt für N -> ∞ lim p(uN) = 0 und wegen der Symmetrie der Binomialverteilung lim p(wN) = 1/2 .
Zusammengefasst gilt für N -> ∞ :
lim p(wN) = 0 p < 1/2
= 1/2 p = 1/2
= 1 p > 1/2
lim p(uN) = 0
lim p(vN) = 1 p < 1/2
= 1/2 p = 1/2
= 0 p > 1/2
Zu 5.
Hier ist die Antwort einfach, denn der erwartete Ertrag ist in 2n + 1 Spielen der gleiche wie in 2n + 2 Spielen; die Folge der Erträge in Abhängigkeit von N ist monoton mit paarweise gleichen Werten. Begründung: Nur wenn A von den ersten 2n + 1 Spielen genau n oder n + 1 gewonnen hat, kann sich im nächsten Spiel für ihn noch etwas ändern, nämlich dass die Gesamtserie von 2n + 2 Spielen Unentschieden ausgeht. Analog zu den Überlegungen unter 3 trete der erste Fall mit Wahrscheinlichkeit p1 (Gewinn 1 Euro) und der zweite mit p2 (Verlust 1 Euro) auf. Dann ist (man beachte die Gleichheit der beiden Binomialkoeffizienten):
Der erwartete Ertrag ist für N = 2n + 1 und N = 2n + 2 : 1·w2n+1 + (-1)·w2n+1 = 2·w2n+1 -1 . Monotonie- und Grenzwertverhalten folgen also im Wesentlichen (d.h. bis auf paarweise Gleichheit der Folgenglieder) dem Fall N ungerade in 2 - 4.
Der schwächere Spieler sollte also möglichst wenige, der stärkere möglichst viele Partien anstreben.
Für p = 0.33 wird das Ergebnis - also der erwartete Ertrag für Spieler A - grafisch dargestellt:
p = 0.33
Zu 6.
In 2 - 4 wurde das Spiel aus der Sicht des Spielers A betrachtet. Dort war nur nach seiner Siegchance in einer Serie von N Spielen gefragt. Das bedeutet aber, dass die Gegenwahrscheinlichkeit sowohl für den Sieg seines Gegners B als auch für ein Unentschieden steht. Somit müssen wir hier lediglich die Resultate von 2 - 4 heranziehen, dort 1-p statt p , r'=1/1-2q statt r und statt der berechneten Wahrscheinlichkeiten für den Gesamtsieg deren Gegenwahrscheinlichkeiten einsetzen. Damit kehrt sich vor allem die Monotonierichtung um; insbesondere sind dann bei der Oszillation für ungerade und gerade N die Werte für gerade N die höheren. Die Grenzwerte ergeben sich aus 4. Man kann dies in einer Tabelle zusammenfassen, aus der auch die optimalen N hervorgehen:
p < 1/2 | p = 1/2 | p > 1/2 | |
N ungerade | fallend gegen 0 | gleich ( 1/2 ) | wachsend gegen 1 |
N gerade | fallend gegen 0 | fallend gegen 1/2 | p > 2/3 : wachsend gegen 1 p = 2/3 : w2 = w4 , dann wachsend gegen 1 p < 2/3 : erst fallend, dann wachsend gegen 1 falls r' ungerade : 2 Minima |
N beliebig | oszillierend gerade N günstiger Grenzwert 0 |
oszillierend gerade N günstiger Grenzwert 1/2 |
oszillierend gerade N günstiger Grenzwert 1 |
Ein Beispiel soll grafisch dargestellt werden:
p = 0.56
Publiziert 2005-12-30 Stand 2005-07-03
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