Manfred Börgens
Mathematische Probleme  # 44
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Problem des Monats September 2004

          Die Lösung steht im unteren Teil der Seite.

Eine Uhr mit Stunden- und Minutenzeiger hat ein 12-Stunden-Zifferblatt.

  1. Zu welchen Uhrzeiten stehen beide Zeiger übereinander?

  2. Nehmen Sie an, dass beide Uhrzeiger gleich lang sind und sich auch sonst nicht unterscheiden. Wann lässt sich trotzdem die Uhrzeit korrekt ablesen und wann nicht? Dies hängt zusammen mit der umgekehrten Frage: Zu welchen Uhrzeiten lassen sich Stunden- und Minutenzeiger vertauschen, so dass wieder eine stimmige Uhrzeit erscheint?

Dies sind natürlich mathematische und keine praktischen Probleme. In der Praxis wird es in vielen Fällen nicht möglich sein, die Zeigerstellung so präzise abzulesen, dass die Fragen beantwortet werden können. Es wird davon ausgegangen, dass sich beide Zeiger kontinuierlich - und nicht in Sprüngen - bewegen. Hier sind fünf Beispiele mit gleich langen Zeigern:

5 Uhren

In (a) lässt sich die Uhrzeit eindeutig ablesen, denn der auf 6 weisende Zeiger kann nur der Minutenzeiger sein. Also ist es 10:30:00 Uhr. In (b) stehen beide Zeiger übereinander. Es ist genau 01:05:27 3/11 , damit hat man schon eine Teillösung für die 1. Frage. (Alle Uhrzeiten sollen absolut exakt angegeben werden, und zwar in der Form hh:mm:ss , dabei muss ss keine ganze Zahl sein, sondern wird ggfs. als Dezimal- oder Bruchzahl geschrieben.) (c) ist einfach: Eine solche Uhrzeit kann es nicht geben. (d) ist ein Beispiel für die 2. Frage. Hier lassen sich die Zeiger vertauschen, d.h. es werden zwei tatsächlich vorkommende Uhrzeiten dargestellt. Um der Lösung nicht zu weit vorzugreifen, werden diese hier nicht exakt angegeben, sondern nur gerundet: Es könnte ungefähr 7 Minuten vor 7 oder ungefähr 4 Minuten nach halb 11 sein. In (e) ist die Uhrzeit mit bloßem Auge schwer abzulesen; dieses Beispiel soll verdeutlichen, dass es nicht um ein praktisches, sondern ein mathematisches Problem handelt. Man kann hier nicht gut erkennen, ob es ungefähr 18 Minuten vor 5 oder ungefähr 6 Minuten vor halb 9 ist; tatsächlich ist aber die Uhrzeit eindeutig: Es ist genau 08:23:50 Uhr.



Lösung



x  sei die Zeigerstellung des Stundenzeigers,  y  die des Minutenzeigers. Es sollen beide Werte im Intervall von 0 (einschließlich) bis 12 (ausschließlich) angegeben werden. Wer für den Minutenzeiger eine Darstellung zwischen 0 und 60 vorzieht, muss überall  y  mit 5 multiplizieren. Hier bedeutet also  y = 2.4 , dass 12 Minuten seit der vollen Stunde vergangen sind.

Da der Minutenzeiger 12-mal so schnell läuft wie der Stundenzeiger, hängen x  und  y  auf die folgende Weise zusammen:

y = 12x mod 12

(a mod b  ist für nicht-negative  a  und  b  der Rest, der bei Division von  a  durch  b  übrig bleibt.) Die Stellung des Minutenzeigers hängt also vollständig von der des Stundenzeigers ab; zur Zeitangabe würde der Stundenzeiger ausreichen. Der Zusammenhang von  x  und  y  wird in Bild 1 graphisch dargestellt. Der Graph der Funktion  y = 12x mod 12  zeigt die "erlaubten" Zeigerstellungen:

Graph von 12x mod 12
Bild 1

Die Uhrzeit  u  soll in der Form  hh:mm:ss  geschrieben werden.  hh  ist eine ganze Zahl zwischen 0 und 11,  mm  ist eine ganze Zahl zwischen 0 und 59,  ss  ist eine reelle Zahl zwischen 0 (einschließlich) und 60 (ausschließlich). Es soll also die Uhrzeit  00:00:00  geben, aber nicht  12:00:00 . Der rote Punkt in Bild 1 steht für  u = 11:06:00 .

Berechnung von  u  aus  x :
hh = [x]      (Gaußklammer)
mm = [(x - hh)·60]
ss
 = ((x - hh)·60 - mm)·60

Berechnung von  x  aus  u :
x = hh + mm/60 + ss/3600


Zu Frage 1

Bild 2 zeigt die Zeigerstellungen in anderer Form als in Bild 1.  x  und  y  sind hier in Abhängigkeit von der Uhrzeit dargestellt.

Graphen von x und y in Abhaengigkeit von der Uhrzeit
Bild 2

Man sieht, dass es 11 Schnittpunkte des schwarzen mit dem blauen Graphen gibt. (Oben rechts gibt es keinen Schnittpunkt, da 12 Uhr nicht mehr zum Definitionsbereich zählt.) Diese Schnittpunkte geben die Zeiten an, an denen beide Uhrzeiger übereinander stehen, und sollen nun berechnet werden:

x = y = 12x mod 12  , d.h.  11x mod 12 = 0 . Also ist  11x = i·12  für  i = 0,1,...,10 . Die Lösung lautet also:

x = i·12/11 (i = 0,1,...,10)

Beispiel: Für  i = 4  erhält man  x = 4 4/11 , also  u = 04:21:49 1/11 .


Zu Frage 2

Wir kehren zur Darstellung der Zeigerstellungen wie in Bild 1 zurück. Eine Vertauschung der Zeiger entspricht einfach einem Tausch der  x-  und  y-Koordinaten, also einer Spiegelung an der Winkelhalbierenden. Nur dann, wenn der gespiegelte Punkt genau auf einer schwarzen Linie landet, ergibt die Vertauschung eine sinnvolle Uhrzeit. Dies sieht man in Bild 3:

Graph von 12x mod 12 mit 2 an Winkelhalbierender gespiegelten Punkten
Bild 3

Die grüne Diagonale ist hier nicht der Graph für eine Zeigerstellung wie in Bild 2, sondern die Winkelhalbierende. Wie findet man die Punkte, deren Spiegelbilder sinnvolle Uhrzeiten ergeben? Am einfachsten ist es, das ganze Bild zu spiegeln und dann über das ursprüngliche Bild zu legen. Dies sieht man in Bild 4 (die Winkelhalbierende ist hier fortgelassen; nur deren Schnittpunkte mit den schwarzen Linien sind markiert):

Bild 3 mit ueberlagertem Spiegelbild
Bild 4

Alle zwölf fast senkrechten Geraden schneiden alle zwölf fast waagerechten Geraden (dies sind die gespiegelten) je einmal, aber der obere rechte Punkt soll ja nicht mitrechnen: Also kommt man auf 143 Zeitpunkte, an denen man Stunden- und Minutenzeiger vertauschen könnte. An den 11 mit Rot markierten Punkten stehen die Zeiger übereinander, also lässt sich dort die Uhrzeit exakt angeben. Es bleiben bei gleich langen Zeigern 132 Zeitpunkte (66 Zeigerstellungen), an denen sich die Uhrzeit nicht angeben lässt. Die 143 Zeitpunkte sollen nun berechnet werden:

Setzt man  y = f(x) = 12x mod 12 , so sind  (x,y)  die "erlaubten" Zeigerstellungen wie in Bild 1. Wann ist auch  (y,x)  eine erlaubte Zeigerstellung? Es muss dann  x = f(y)  sein, also  x = f(f(x)) = 144x mod 12 . Daraus folgt  143x mod 12 = 0 , d.h.  143 x = j·12  für  j = 0,1,2,...,142 , also:

x = j·12/143 (j = 0,1,2,...,142)

Beispiel: Für  j = 82  und  j = 126  erhält man die beiden Uhrzeiten, die im Bild (d) der Aufgabenstellung zu sehen sind:  x = 6 126/143  bzw.  x = 10 82/143 , d.h.  u = 06:52:52 4/143  bzw.  u = 10:34:24 48/143 .

Unter den 143 berechneten Uhrzeiten sind auch die 11 aus Frage 1, bei denen die Zeiger übereinander stehen und deshalb eine eindeutige Ablesung ermöglichen. Es bleiben also noch 132 Zeitpunkte (innerhalb von 12 Stunden), bei denen gleich lange Zeiger keine eindeutige Zeit angeben. Dies sind diejenigen  x = j·12/143 , bei denen  j  zwischen 1 und 142 liegt, aber kein Vielfaches von 13 ist.



Stand 2004-02-16
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