Manfred Börgens Mathematische Probleme # 119 |
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Tombola
Die Lösung steht im unteren Teil der Seite.
Am Ende dieser Seite wird ein allgemeines Problem formuliert. Wir wollen uns diesem Problem zunächst durch ein konkretes Beispiel nähern.
Die Jugendabteilung eines Vereins für Damenhandball veranstaltet eine Tombola. Am Ende soll es eine Gewinnerin geben. Über den Preis für die Gewinnerin hat es im Vorfeld Diskussionen gegeben, und die Sportlerinnen haben sich schließlich auf zwei mögliche Gewinne verständigt, von denen am Ende aber nur einer vergeben wird. Dementsprechend haben sie sich auf den folgenden Kompromiss geeinigt: Es soll zwei Urnen für die Lose geben, und auf den beiden Urnen gibt es je eine Kennzeichnung, welcher Preis zu der Urne gehört.
Bild 1 - Urnen für zwei verschiedene Preise mit Anzahl der enthaltenen Lose
So soll die Tombola ablaufen: Jede Handballerin kann beliebig viele Lose kaufen und mit ihrem Namen beschriften. Diese Lose kann sie beliebig auf die beiden Urnen verteilen. Dabei kann z.B. eine Rolle spielen, welchen Preis sie lieber gewinnen möchte. Die Entscheidung für die Aufteilung der Lose kann aber auch davon abhängen, wieviele Lose bereits in den beiden Urnen liegen; deshalb wird zu jedem Zeitpunkt auf den Urnen mit Kreide nachgehalten, wie groß diese Anzahlen jeweils sind - siehe Bild 1. Die Mädchen gehen in alphabetischer Reihenfolge an die Urnen. Am Ende wird durch Münzwurf entschieden, welche Urne ausgewählt wird; aus dieser wird ein Los zufällig gezogen und damit die Gewinnerin ermittelt.
Zoe ist die letzte, die ihre Lose abgibt. Für sie sind beide Preise von gleichem Wert. Sie hat 6 Lose gekauft. Sie schaut auf die Urnen: In der linken Urne liegen 102 Lose, in der rechten 96 .
Wie sollte Zoe ihre Lose auf die beiden Urnen verteilen?
Dies führt uns auf die allgemeine Fragestellung:
In zwei Urnen befinden sich n1 bzw. n2 namentlich gekennzeichnete Lose. Zoe hat die Gelegenheit, als letzte Teilnehmerin Lose einwerfen zu dürfen. Die Gewinnausschüttung ist für sie bei beiden Urnen von gleichem Wert. Sie verteilt m Lose mit ihrem eigenen Namen auf die beiden Urnen. Dann wird eine der beiden Urnen ausgelost und daraus ein Los gezogen. Wie maximiert Zoe die Wahrscheinlichkeit, dass ein Los mit ihrem Namen gezogen wird? Wie groß ist diese Wahrscheinlichkeit?
Im konkreten Beispiel sei g der Wert, den Zoe jedem der beiden Preise zumisst. Wenn sie j Lose in die linke Urne und 6-j Lose in die rechte Urne wirft, so ist der Anteile der "Zoe-Lose" in der linken Urne j/(102+j) und in der rechten Urne (6-j)/(96+6-j). Der erwartete Gewinn ist dann (g/2)·j/(102+j)+(g/2)·(6-j)/(102-j). Zu maximieren ist somit G = j/(102+j)+(6-j)/(102-j) mit j∈{0,1,..., 6} . Die Wahrscheinlichkeit für einen Gewinn beträgt dann G/2 und der erwartete Gewinn g·G/2 .
j G
0 0,0588235
1 0,0592137
2 0,0592308
3 0,0588745
4 0,0581440
5 0,0570383
6 0,0555556
Zoe sollte also 2 Lose in die linke Urne und 4 Lose in die rechte Urne werfen. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,0296154 (= G/2) gewinnt sie dann einen Preis.
Dieser Ansatz lässt sich verallgemeinern auf n1 bzw. n2 Lose in den Urnen, bevor die letzte Teilnehmerin m Lose hinzugibt. Der Einfachheit halber wollen wir n1 ≥ n2 annehmen und den trivialen Fall n1 = 0 ausschließen. Auch n2 = 0 führt direkt auf eine einfache Lösung: Zoe wirft ein Los in die rechte Urne und die restlichen Lose in die linke Urne. Im folgenden soll also auch n2 > 0 vorausgesetzt werden.
G = j/(n1+j)+(m-j)/(n2+m-j) mit j∈{0,1,..., m}
G soll maximiert werden. Wir fassen G zunächst als reelle Funktion auf, mit x statt j als unabhängiger Variabler:
G(x) = x/(n1+x)+(m-x)/(n2+m-x)= 2 - n1/(n1+x)- n2/(n2+m-x)
G hat zwei Polstellen in x = -n1 und x = n2 + m . Die ganzen Zahlen j = 0,1,..., m liegen alle zwischen den Polstellen, so dass wir uns bei der Diskussion von G(x) auf das offene Intervall J =(-n1, n2 + m) beschränken können.
G'(x)= n1/(n1+x)2 - n2/(n2+m-x)2 = 0
⇔ n1/n2 =((n1+x)/(n2+m-x))2 =((n1+x)/(x-n2-m))2 =(1+(n1+n2+m)/(x-n2-m))2
⇔ (n1/n2)1/2 = |1-(n1+n2+m)/(n2+m-x)|
⇔ (n1+n2+m)/(n2+m-x)= 1 ±(n1/n2)1/2
⇔ x = n2 + m +(n1+n2+m)/(±(n1/n2)1/2 - 1)
Wegen x < n2 + m und n1 ≥ n2 folgt, dass wir nur eine einzige Nullstelle x1 von G' gefunden haben:
(1) x1 = n2 + m -(n1+n2+m)/(1+(n1/n2)1/2)
x1 liegt in J wegen x1> -n1 . Dies folgt aus (1) mit
x1 = (n2 + m)(1-(1+(n1/n2)1/2)-1) - n1/(1+(n1/n2)1/2) > -n1/(1+(n1/n2)1/2) > -n1
G''(x)= -2n1/(n1+x)3 - 2n2/(n2+m-x)3 < 0 in J.
G ist also konkav auf J . x1 in (1) ist ein striktes lokales Maximum und das einzige Extremum in J .
Nun machen wir den Übergang von j nach x rückgängig. Man beachte, dass {0,1,..., m} , also der Definitionsbereich für j , vollständig in J liegt. (1) bedeutet also, dass für j nur ⌊x1⌋ oder ⌈x1⌉ (Ab- bzw. Aufrundung) oder keins von beiden in Frage kommt. Es ist also zu prüfen, ob bzw. wann ⌊x1⌋ bzw. ⌈x1⌉ in {0,1,..., m} liegen:
x1 = m(1-(1+(n1/n2)1/2)-1) + n2 -(n1+n2)(1+(n1/n2)1/2)-1 =
= m(1-(1+(n1/n2)1/2)-1) + ((n1n2)1/2 - n1)(1+(n1/n2)1/2)-1 ≤
≤ m(1-(1+(n1/n2)1/2)-1) < m
Während also ⌊x1⌋ und ⌈x1⌉ m nicht überschreiten können, können sie aber sehr wohl negativ sein, wie man anhand einfacher Beispiele leicht sehen kann. Deshalb sind zwei Fälle zu unterscheiden:
1. Fall : Ist x1 positiv, so liegen sowohl j = ⌊x1⌋ als auch j = ⌈x1⌉ in {0,1,..., m} . Beide Zahlen setzt man in G ein und ermittelt so das gesuchte Maximum.
2. Fall : Ist x1 negativ, so fällt G streng monoton im Intervall [0, m] . Das gesuchte Maximum liegt dann bei j = 0 .
Anfangs haben wir ein konkretes Beispiel betrachtet. Für n1 = 102, n2 = 96 und m = 6 ist x1 ≈ 1,546 , so dass in der Tabelle weiter oben nur j = 1 und j = 2 zu überprüfen sind.
Für den 2. Fall soll das Beispiel n1 = 61, n2 = 50, m = 3 dienen. Wir erhalten x1 ≈ -1,169 . Das Maximum liegt also bei j = 0 mit der Gewinnwahrscheinlichkeit G/2 ≈ 0,0283 .
Publiziert 2022-06-25 Stand 2020-03-26
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