Manfred Börgens
Mathematische Probleme  # 109
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16  Räuber

Zunächst ging alles gut. Die  17  Räuber konnten die fette Beute in Sicherheit bringen. Sie lagerte seitdem in einem Tresor, der gut versteckt wurde. Der Anführer der Räuber (er zählt mit unter die  17 , also nicht wie bei Jim Knopf und die Wilde 13 ) sicherte den Tresor mit einer  80-stelligen Zahlenkombination. Aus Sicherheitsgründen nummerierte er die  16  anderen Räuber von  0  bis  15  und gab jedem nur einen Fünferblock des Codes zum Auswendiglernen  -  Räuber  0  erhielt die ersten  5  Ziffern, Räuber  1  die nächsten  5  Ziffern usw.

Aber dann ging alles schief. Die Räuber wurden von der Polizei gefasst. Der Anführer überlebte die Schießerei nicht. Die anderen  16  Räuber kamen ins Gefängnis. Die Polizei fand die Beute nicht.

Die  16  Räuber wurden in dasselbe Gefängnis gesperrt, alle in verschiedene Zellen. Nur beim täglichen Hofgang konnten sie miteinander sprechen. Diese Hofgänge waren zwar nur kurz, aber sie reichten aus, um eine Verabredung zu treffen. Sie hofften, dass einer von ihnen begnadigt würde oder ausbrechen könnte. Derjenige sollte dann ganz rasch die Beute holen und sicher aufbewahren, da der Tresor schon ziemlich lange unbewacht geblieben war und jederzeit entdeckt werden könnte.

Also mussten alle Räuber möglichst schnell den gesamten  80-stelligen Code lernen. Die Räuber waren übereingekommen, bei jedem Hofgang (also einmal am Tag)  8  Paare zu bilden (jeden Tag andere), die sich gegenseitig über alles austauschen sollten, was sie bis dahin in Erfahrung gebracht hatten.



Lösung



n  sei die Anzahl der Räuber. Aus der Fragestellung geht hervor, dass es sich um eine Zweierpotenz  n = 2m  handelt, mit  m  N .  n  ist außerdem die Anzahl der einzelnen und disjunkten Informationen (also hier fünfstellige Ziffernblöcke), die zusammengeführt werden sollen. Der Umfang des Informationsgehalts, der anfangs bei den einzelnen Räubern gespeichert ist (Ziffernblöcke), spielt für unser Problem keine Rolle. Wir geben den Räubern die Nummern  0, ..., 2m - 1 ; die bei den einzelnen Räubern gesammelten Informationen drücken wir als Mengen aus: Wenn beispielsweise beim ersten Hofgang Räuber  2  mit Räuber  10  spricht, so sind danach beide im Besitz der Informationsmenge {2,10}. Abkürzend soll  Mi,j  für die Informationsmenge des  i-ten Räubers nach dem  j-ten Hofgang stehen, mit  Mi,0 = {i} vor dem ersten Hofgang; im Beispiel wäre dann  M2,1 = M10,1 = {2,10}.

Nach  m  Hofgängen ist offenbar jeder einzelne Räuber im Besitz von maximal  n = 2m  Informationen.  16  Räuber benötigen somit mindestens  4  Hofgänge für den Informationsaustausch. Nun soll gezeigt werden, dass  m  Hofgänge auch hinreichend sind.

Es muss also gezeigt werden, dass  Mi,m = {0, ..., n-1} für alle  i  gilt. Anders ausgedrückt:  m  Hofgänge sind genau dann hinreichend, wenn sich die Informationsmenge jedes Räubers bei jedem Hofgang verdoppelt, d.h.   |Mi,j| = 2·|Mi,j-1|  für  j = 1, ..., m . Das kann nur dann geschehen, wenn bei jedem Hofgang nur Paare {i1,i2} von Räubern miteinander sprechen, deren Informationsmengen disjunkt sind:  Mi1,j  Mi2,j = Ø. Der Beweis, dass  m  Hofgänge hinreichend sind, geht nun leicht mit vollständiger Induktion über  m :

m = 1     n = 2  Räuber haben vor dem Hofgang die Informationsmengen  M0,0 = {0} bzw.  M1,0 = {1} und nachher  M0,1 = M1,1 = {0,1}. Also reicht ein Hofgang aus.

 m+1     Man kann für  n = 2m+1  Räuber zunächst in Worten beschreiben, was passiert:  n/2  Räuber suchen sich beim ersten Hofgang andere  n/2  Räuber als Gesprächspartner. Für beide Gruppen gilt jeweils: Nach dem Hofgang sind insgesamt alle  n  Informationen vorhanden, und zwar in jeweils  n/2  disjunkten Paaren. Nun ist aber  n/2 = 2m, und nach Induktionsvoraussetzung lassen sich in beiden Gruppen alle Informationsmengen in weiteren  m  (also insgesamt  m+1) Hofgängen bei jedem der Räuber zusammenführen.  -  Man beachte, dass der Umfang der Ursprungsinformationen bei dieser Argumentation keine Rolle spielt; in den beiden Gruppen treten nach dem ersten Hofgang Paare von Räubernummern an die Stelle von einzelnen Nummern.  -  Das Ganze lässt sich natürlich auch formal beschreiben:  n = 2m+1  Räuber haben vor dem ersten Hofgang die Informationsmengen  M0,0 = {0}, ..., Mn-1,0 = {n-1}. Beim ersten Hofgang bilden sich  n/2 = 2m  Paare, die jeweils ihre Informationen austauschen. Diese Paare (bzw. die zugehörigen Informationsmengen nach dem Hofgang) kann man mit  Mpr,1 = Mqr,1 = {pr,qr} für  r = 1, ..., n/2  bezeichnen; für die Vereinigungsmenge gilt  r{pr,qr} = {0, ..., n-1}, also ist in beiden Gruppen (Räuber  pr  und Räuber  qr) jeweils die komplette Information verfügbar. Für die Induktionsvoraussetzung haben wir also zwei Gruppen mit jeweils  2m  Räubern, bei denen  Mppr,0 = {pr,qr} bzw.  Mqqr,0 = {pr,qr} den neuen Anfangszustand beschreibt; somit ergibt sich in beiden Gruppen für jeden Räuber eine Zusammenführung der Informationen auf  r{pr,qr} = {0, ..., n-1} in  m  Schritten.

Damit können wir die erste Frage beantworten:


Die folgende Graphik zeigt beispielhaft, wie die Räuber es machen könnten. Es ist am einfachsten, die Räuber schematisch nach ihren Nummern aufsteigend zu sortieren (erste Zeile in der Graphik) und diese Reihenfolge über alle Hofgänge beizubehalten. Bei jeder Teilung einer Gruppe gibt es eine linke Hälfte mit den kleineren und eine rechte mit den größeren Räubernummern. Die gleichfarbig unterlegten Nummern bezeichnen Paare, die ihre Informationen austauschen.

16 Kaestchen


Natürlich kann man auch andere Einteilungen vornehmen. Aus der oben durchgeführten Induktion wissen wir schon, dass bei sukzessiver Halbierung der Räubergruppen immer in jeder Gruppe (bzw. Untergruppe nach der Halbierung mit anschließendem Hofgang) die komplette Information vorliegt (disjunkt verteilt auf die Räuber in der Gruppe).

Der Kern der Lösung:
Vor jedem Hofgang teilen sich alle Gruppen in jeweils zwei Hälften, so dass die Räuber beim  j. Hofgang  2j  Gruppen bilden. Die Kommunikation erfolgt nur zwischen zusammengehörigen Hälften. Dann ist jede Gruppe nach dem  j. Hofgang im Besitz der kompletten Information, die sich disjunkt und gleichmäßig auf ihre  2m-j  Mitglieder verteilt.

Die in der Graphik gewählte Gruppeneinteilung führt zu einem einfachen Algorithmus, der beschreibt, wer mit wem beim  j. Hofgang spricht.

Auf den ersten Blick erscheint das nicht so einfach zu ein. Nehmen wir den Räuber  # 6 .  Er spricht nacheinander mit  14247 . Da ist zunächst nur schwer eine Regel erkennbar.

Wenn man die  2m  Räuber aufsteigend sortiert wie in der Graphik, erhält man die folgende Systematik:

(1)   j. Hofgang:  2j  Gruppen mit jeweils  2m-j  Räubern

            k. Gruppe:  Räuber  i = (k-1)·2m-j, ..., k·2m-j - 1

            k  ungerade   ⇔  i  spricht mit  i + 2m-j
            k  gerade   ⇔  i  spricht mit  i - 2m-j

Es werden also für die Hofgespräche die Gruppen mit ungeradem  k  den Gruppen mit dem nachfolgenden geraden  k  zugeordnet (also sprechen die Räuber in der  1. Gruppe mit denen in der  2. Gruppe, die Räuber in der  3. Gruppe mit denen in der  4. Gruppe usw.).  -  Wie sieht man, dass jede dieser Gruppen beim  (j+1). Hofgang in zwei Hälften geteilt werden, die dann miteinander sprechen  -  so wie oben im "Kern der Lösung" beschrieben? Nehmen wir die  k. Gruppe aus (1). Beim nächsten Hofgang wird aus  i = (k-1)·2m-j, ..., k·2m-j - 1   -  da es sich jetzt um den  (j+1). Hofgang handelt  -  i = (2k-2)·2m-j-1, ..., 2k·2m-j-1 - 1 ; teilt man dies in zwei gleiche Hälften, erhält man  i = (k1-1)·2m-j-1, ..., k1·2m-j-1 - 1  und  i = k1·2m-j-1, ..., (k1+1)·2m-j-1 - 1  mit  k1 = 2k - 1  ungerade, also tatsächlich eine "ungerade" und eine "gerade" Gruppe.

Wie kann man nun die Nummern der Räuber in den ungeraden Gruppen von denen in den geraden Gruppen unterscheiden, um den Räubern ihre Aufgane zu erleichtern? Wir betrachten zunächst Beispiele aus der Graphik.

j = 3    Vor dem  3. Hofgang gibt es vier Gruppen, beginnend mit  {0,1,2,3}. In jeder der vier Gruppen sprechen die kleineren Nummern mit den größeren. Um das einfach darzustellen, muss man lediglich die Nummern  mod 4  nehmen, damit hat jede Gruppe die Gestalt  {0,1,2,3}. Der Rest ist dann leicht: Ist diese Nummer  < 2 , so spricht sie mit der um  2  größeren Nummer; ist sie   2 , so spricht sie mit der um  2  kleineren Nummer.  -  Beispiel:  12  spricht mit  14: 12 mod 4 = 0 < 2 , also spricht  12  mit  12 + 2 = 14 ; 14 mod 4 = 2  2 , also spricht  14  mit  14 - 2 = 12 .

Wir schauen uns das noch für  j = 2  an. Hier nehmen wir die Nummern  mod 8  und teilen diese nach  < 4  und   4 .  -  Beispiel:  10  spricht mit  14: 10 mod 8 = 2 < 4 , also spricht  10  mit  10 + 4 = 14 ; 14 mod 8 = 6  4 , also spricht  14  mit  14 - 4 = 10 .

Ausgehend von diesen Beispielen lässt sich nun eine allgemeine Regel für den  i. Räuber beim  j. Hofgang aufstellen.

Wir wollen das noch mit (1) überprüfen.
Räuber  i  ist in  k. Gruppe  ⇔  i  {(k-1)·2m-j, ..., k·2m-j-1}
Z.z.:  i mod 2m-j+1 < 2m-j  ⇔  k  ungerade  ( ⇔ i  spricht mit  i + 2m-j  wegen (1))
    (Nachweis geht analog für  k  gerade.)

i mod 2m-j+1 < 2m-j  ⇔  i = i' + k'·2m-j+1  mit  0  i' < 2m-j  ⇔  i  {2k'·2m-j, ..., 2m-j - 1 + 2k'·2m-j} = {2k'·2m-j, ..., (2k'+1)·2m-j - 1} = {(k-1)·2m-j, ..., k·2m-j - 1} mit  k = 2k'+1  ungerade


Wenn man die Räuber-Nummern  i  als Dualzahlen schreibt, so ist

i = im-1im-2 ... i1i0
mit  iv  {0,1}; führende Nullen sind erlaubt.

Dann gilt für  1  s  m : i mod 2s = is-1is-2 ... i1i0

i mod 2m-j+1 = im-jim-j-1 ... i1i0
    i
 mod 2m-j+1 < 2m-j  ⇔  im-j = 0
    i
 mod 2m-j+1 ≥ 2m-j  ⇔  im-j = 1

Der Räuber  i  spricht nach der oben entwickelten Formel mit Räuber  i ± 2m-j ; die Addition oder Subtraktion von  2m-j  verändert aber lediglich  im-j , also die  j. Dualstelle von vorne. Damit erhalten wir:

Beim  j. Hofgang treffen sich diejenigen Paare von Räubern, bei denen sich nur die  j. Dualstelle unterscheidet.

Beispiel:  m = 4, j = 2, i = 6 = 01102 . Räuber  6  trifft beim  2. Hofgang auf Räuber  00102 = 2 .

Es wird also einfacher für die Räuber, ihre Gesprächspartner zu erkennen, wenn sie sich ihre Nummern als Dualzahlen merken oder aufschreiben, z.B. so:

Zähne
Dies ist Räuber  # 9 = 10012 . Er spricht der Reihe nach mit  00012 , 11012 , 10112  und  10002 , also  # 113118 .



Publiziert 2019-12-28          Stand 2016-07-11


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