Manfred Börgens
Mathematische Probleme  # 105
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Der 7-Farben-Satz

          Die Lösung steht im unteren Teil der Seite.

Der 4-Farben-Satz für Landkarten in der Ebene oder auf einer Kugel ist weithin bekannt. Er wurde 1977 bewiesen. Bereits vorher kannte man Beweise für den 6-Farben-Satz auf dem Möbiusband und den 7-Farben-Satz auf dem Torus. Um den letzteren soll es hier gehen.

Jede Landkarte auf dem Torus lässt sich mit 7 Farben so färben, dass benachbarte Länder nie die gleiche Farbe haben. Mit weniger Farben geht es nicht. In Bild 1 sieht man einen Torus mit 7 Ländern, deren Färbung 7 Farben erfordert, weil jedes Land an alle anderen Länder grenzt.

Torus

Bild 1

Nun zeigt Bild 1 zwar eine schöne und gut überprüfbare Anordnung der 7 Länder, aber es fällt nicht leicht, ein bestimmtes Prinzip zu erkennen oder sich diese Anordnung zu merken. Wir wollen eine einfache Konstruktion angeben, die man jederzeit leicht reproduzieren kann, ohne einen Torus zeichnen zu müssen. Diese Konstruktion soll es jedem sofort einsichtig machen, warum man bei Landkarten auf dem Torus im Allgemeinen nicht mit weniger als 7 Farben auskommt.

Die Gestalt des Torus ist für den 7-Farben-Satz weitgehend unerheblich. Der Satz gilt für die Oberfläche jedes Körpers vom Geschlecht 1, also anschaulich gesprochen für Körper mit genau einem Loch. Wenn man beispielsweise eine Landkarte auf eine Tasse mit einem Henkel zeichnen würde, könnte man die Tasse und die Länder topologisch (d.h. durch vorsichtiges Kneten) zu einem Torus verformen, so dass die Nachbarschaften zwischen den Ländern erhalten blieben. Also gilt der 7-Farben-Satz auch für einhenklige Tassen.

Unsere Konstruktion beginnt mit einem Tetraeder. Seine Oberfläche besteht aus 4 Dreiecken. Im linken Teil von Bild 2 schauen wir in den Tetraeder hinein, d.h. die Ecke  A  ist hinten unten, also die am weitesten vom Betrachter entfernte Ecke. An  A  grenzen 3 Farben an: Grün, Grau und Schwarz. Die vierte, vordere Seite des Tetraeders kann man sich  -  da wir ja in den Tetraeder hineinschauen  -  als Glasscheibe vorstellen (gleich vor dem Betrachter und gegenüber der Ecke A). Als vierte Farbe wählen wir also Transparent.

Und nun bohren wir ein Loch durch den Tetraeder. Dazu schneiden wir an der linken und der rechten unteren Ecke ein Stück ab; das sieht man rechts in Bild 2. Die beiden kleinen dreieckigen Öffnungen  -  und ab hier wird nichts mehr gezeichnet, man muss es sich vorstellen  -  werden durch einen Schlauch verbunden, der leicht gebogen durch das Innere des Tetraeders verläuft, ohne die Seitenflächen zu berühren. Der linke und der rechte Austritt des Schlauchs ist dreieckig, aber weiter innen kann man ihn sich gerne verformt als rohrartig vorstellen.

Tetraeder

Bild 2

Der durchbohrte Tetraeder ist topologisch äquivalent zum Torus, weil er genau ein Loch hat. Bei ihm kann man sich noch leichter als bei der Henkeltasse vorstellen, wie die Verformung durchgeführt wird.

Jetzt kommt der 7-Farben-Satz:  4 Farben sind schon auf der Oberfläche des Tetraeders vergeben, also wird der Schlauch mit 3 weiteren Farben gefärbt, so dass insgesamt 7 Länder entstehen. Die 3 Schlauchfarben werden (so viel wird verraten) einfach in langen Streifen vom linken zum rechten Austritt des Schlauchs aufgetragen. Sie müssen natürlich nicht exakt parallel oder gleich breit sein.

Vorsicht: Die 3 Farbstreifen dürfen nicht mit den Seiten der Dreiecke bei den Austritten (orange in Bild 2 rechts) zusammenfallen, auch nicht zyklisch verdreht. Warum nicht ?

Aber man darf natürlich den Schlauch so verdrehen und dehnen, dass einzelne Schlauchfarben eine oder mehrere Ecken der kleinen Dreiecke einschließen.
Falls man sich den Schlauch nicht gut vorstellen kann, findet man hier ein Bild, das später auch in der Lösung verwendet wird.

Wie muss der Schlauch gefärbt werden, so dass jedes der 7 Länder auf dem durchbohrten Tetraeder an alle anderen Länder grenzt ?



Lösung



Mit den 4 Tetraederfarben und den 3 Schlauchfarben liegen bereits 7 Farben vor. Die 4 Tetraederfarben haben paarweise gemeinsame Grenzen, ebenso die 3 Schlauchfarben. Es ist also noch zu zeigen, dass alle Tetraederfarben mit allen Schlauchfarben gemeinsame Grenzen haben. In Bild 3 wurden die Schlauchfarben Blau, Gelb und Orange gewählt.

Schlauch

Bild 3

Wie schon in der Aufgabenstellung vorgeschlagen, bilden die 3 Farben im Schlauch lange Streifen vom einen bis zum anderen Ende. In Bild 3 wurde auch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Schlauch etwas zu verdrehen: Links liegt der orangene Streifen unten, rechts liegt er oben. Man beachte, dass die 3 Farben an den beiden Enden verschieden orientiert sein müssen, weil man aus verschiedenen Richtungen in den Schlauch hineinschaut: Blau-Orange-Gelb bzw. Blau-Gelb-Orange.

In der Aufgabenstellung wurde gefragt, warum die 3 Farbstreifen nicht mit den Seiten der Dreiecke bei den Austritten zusammenfallen dürfen. Das lässt sich einfach beantworten: Dann würde jede Schlauchfarbe nur maximal 2 der Tetraederfarben als neue Nachbarn hinzugewinnen, notwendig sind aber 4.

Die nächste (naheliegende) Idee könnte sein, dass jede Schlauchfarbe an beiden Enden jeweils um eine Ecke des Austrittsdreiecks geht, also  2 × 2  Tetraederfarben als Nachbarn hat. Aber auch das geht nicht, wie man durch Ausprobieren herausfindet (siehe Bild 2 rechts): Orange könnte beispielsweise am linken Ende an Grün und Schwarz grenzen, dann grenzt Gelb an Schwarz und Transparent, und Blau an Transparent und Grün. Damit Orange an 4 Tetraederfarben grenzt, muss es rechts an Transparent und Grau grenzen; dann würde aber Blau an Grau und Grün grenzen, Blau und Schwarz hätten somit keine gemeinsame Grenze.

Also bleibt offenbar nur eine Lösung übrig (wenn es überhaupt eine gibt). An jedem Ende muss gelten: Eine Schlauchfarbe hat genau 1 Tetraederfarbe als Nachbarn, eine andere 2, und die dritte hat 3 Tetraeder-Nachbarfarben. Das löst das Problem tatsächlich, wie Bild 4 zeigt. Dort sind die Grenzen der Tetraederfarben und der Schlauchfarben durch konzentrische Kreise und Sektoren dargestellt (Weiß steht für Transparent). Diese Kreisbilder (unten links und rechts) stellen die Ländergrenzen an den beiden Schlauchenden, jeweils von außerhalb betrachtet, übersichtlich dar; die Tetraederfarben liegen außen und die Schlauchfarben innen. Am durchbohrten Tetraeder sind die Farbgrenzen an den dreieckigen Schnitten ebenfalls zu sehen.

komplett

Bild 4

Wie kann man sich diese Konstruktion merken? Beim Tetraeder kommen nur 2 Farben bei beiden Öffnungen vor (im Bild Grün und Transparent), während die dritte "singuläre" Farbe verschieden ist (Schwarz links bzw. Grau rechts). Nun wählt man 2 Schlauchfarben aus (hier Gelb und Blau), die die "Mittelpositionen" an den singulären Tetraederfarben einnehmen (Gelb bei Schwarz und Blau bei Grau). Diese beiden Schlauchfarben müssen dann jeweils an den gegenüberliegenden Öffnungen an alle 3 Tetraederfarben angrenzen; außerdem müssen sie in verschiedener Orientierung aufeinander folgen. - Dann bleibt für die dritte Schlauchfarbe (Orange) nur übrig, bei beiden Öffnungen an jeweils 2 Tetraederfarben zu grenzen, die alle verschieden sind.

Die Kreisbilder beweisen, dass die beschriebene Konstruktion tatsächlich möglich ist. 7 Farben grenzen paarweise aneinander.


Eine Anregung, dass die obige Konstruktion möglich ist, findet man als Randbemerkung in der Science-Fiction-Literatur: Homer C. Nearing, The Hermeneutical Doughnut, ch. IX in The Sinister Researches of C.P. Ransom (1954).



Publiziert 2019-01-03          Stand 2016-02-27


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