Manfred Börgens
Mathematik auf Briefmarken  # 43
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Briefmarke des Monats Juli / August 2004

Marke mit Portrait von Lagrange   Frankreich 1958

  Michel 1182
  Scott 869




Joseph-Louis Lagrange (1736 - 1813)

Lagrange gilt gemeinhin als französischer Mathematiker, war aber gebürtig aus Turin und hieß ursprünglich Giuseppe Lodovico Lagrangia. Schon mit 19 Jahren wurde er Professor für Mathematik an der Königlichen Artillerieschule in Turin. 1766 wurde Lagrange von Friedrich dem Großen an die Preußische Akademie der Wissenschaften berufen. Dort folgte er Leonhard Euler als Direktor der mathematischen Klasse nach (Euler kehrte nach 25 Jahren in Berlin wieder nach St. Petersburg zurück). Lagrange blieb über 20 Jahre in Berlin, schuf in dieser Zeit seine wichtigsten Werke und wurde einer der führenden Mathematiker seiner Zeit. 1787 wechselte er an die französische Akademie der Wissenschaften in Paris, wo er den Rest seines Lebens wirkte. Lagrange lehrte ab 1794 auch an der neugegründeten École Polytechnique als deren erster Professor für Analysis.

Lagrange hat bedeutende Beiträge zu einer Vielzahl mathematischer Gebiete geliefert: Analysis, Differentialgleichungen, Variationsrechnung, Wahrscheinlichkeitsrechnung, Zahlentheorie. Eine kleine Auswahl seiner Leistungen soll im folgenden kurz dargestellt werden.

In der Variationsrechnung sucht man aus einer vorgegebenen Menge von Funktionen diejenigen, die bestimmte Extremaleigenschaften aufweisen. Eines der klassischen Probleme der Variationsrechnung ist das isoperimetrische Problem, also die Frage nach der kürzesten geschlossenen Kurve, die einen vorgegebenen Flächeninhalt einschließt (Lösung: Kreis). Ein anderes Problem, das Lagranges Zeitgenossen interessierte, war die Bestimmung der Tautochrone, also derjenigen Kurve, entlang der eine rollende Kugel immer die gleiche Laufzeit bis zum Fußpunkt benötigt, unabhängig aus welcher Höhe sie startet (Lösung: Zykloide). Dies sind nur zwei Beispiele, die Lagranges Interesse an der Variationsrechnung weckten. Während Euler geometrisch orientierte und teilweise intuitive Lösungen erarbeitete, gelang Lagrange ein rein analytischer Ansatz, der sich für die gesamte Variationsrechnung als sehr fruchtbar erwies und u.a. in die fundamentale Euler-Lagrange-Gleichung mündete. Diese Differentialgleichung liefert eine notwendige Bedingung für die Erfüllung einer Extremaleigenschaft.

In der Zahlentheorie gehen einige Resultate auf Lagrange zurück, die sich leicht verständlich formulieren lassen, aber nicht elementar zu beweisen sind. Er wies u.a. nach:


Lagranges Hauptwerk heißt Mécanique analytique. In diesem Buch wird die Analysis auf die Theorie bewegter Körper angewandt; es behandelt alle Erkenntnisse der Mechanik seit Newtons Gravitationstheorie in einheitlicher mathematischer Schreibweise. Das Werk ist geprägt durch die umfassende Verwendung von Differentialgleichungen und das völlige Fehlen von geometrischen Darstellungen. - In der Himmelsmechanik kennt man die "Lagrange-Punkte". Dies sind Punkte im Raum, in denen sich ein vergleichsweise kleiner Körper im Gravitationsfeld von zwei großen Körpern (wie Sonne - Erde oder Erde - Mond) in relativer Ruhe zu den beiden Körpern befindet. Es gibt fünf Lagrange-Punkte, bezeichnet mit L1 bis L5 ; ihre Lage ist im folgenden Bild dargestellt:

Lagrange-Punkte

Nur zwei der Lagrange-Punkte, nämlich L4 und L5 , beschreiben stabile Orbits, d.h. sie halten einen kleinen Körper auch bei leichten Störungen. Lenkt man einen solchen Körper geringfügig aus, so beschreibt er Schwingungen um seine Ausgangsposition herum. Seit 1906 kennt man Kleinplaneten, die auf der Jupiter-Umlaufbahn nahe der Positionen L4 und L5 die Sonne umkreisen, die sogenannten Trojaner. Auch in den Systemen Sonne-Mars und Saturn-Tethys sind L4 und L5 durch kleine Himmelskörper besetzt.  -  Zukunftsforscher haben L4 und L5 im Erde-Mond-System als einen geeigneten Platz für Raumkolonien vorgeschlagen. Im Sonne-Erde-System könnten dort Satelliten stationiert werden, die die Sonne in derselben Periode wie die Erde umlaufen und jederzeit einen unbehinderten Blick sowohl zur Sonne als auch zur Erde hätten. - Die anderen drei Lagrange-Punkte sind unstabil, d.h. die kleinste Störung führt zum Wegdriften eines dort platzierten Körpers. Das bedeutet aber nicht, dass diese Punkte für die Astronomie bedeutungslos wären. Im Sonne-Erde-System lassen bereits ESA und NASA in einem Gemeinschaftsprojekt zur permanenten Sonnenbeobachtung u.a. das Raumteleskop SOHO den Punkt L1 mit geringem Energieaufwand auf einer engen Bahn umkreisen; die NASA nutzt in ähnlicher Weise L2 für das Raumteleskop WMAP zur Messung der kosmischen Hintergrundstrahlung.

Eine weitere Abhandlung Lagranges mit weitreichender Wirkung war Réflexions sur la résolution algébrique des équations, denn diese inspirierte u.a. Évariste Galois zur Entwicklung der Gruppentheorie. - In Mathworld findet man zahlreiche mathematische Begriffe, die nach Lagrange benannt sind, z.B. das "Lagrange-Restglied" von Taylorreihen und die "Lagrange-Interpolation".

Zum Schluss ein Zitat von Eric Weisstein aus Scienceworld:
Lagrange, Joseph, französischer Mathematiker und mathematischer Physiker, der größte Mathematiker des 18. Jahrhunderts. Sein Werk Mécanique analytique (1788) war ein mathematisches Meisterwerk. Es bediente sich einer klaren, symmetrischen Schreibweise und deckte nahezu jedes Gebiet der reinen Mathematik ab. Es war das erste Buch über Mechanik, das ohne ein einziges Diagramm veröffentlicht wurde.


Lagrange wurde am Eiffelturm verewigt: Die 72 Namen von Wissenschaftlern am Eiffelturm




Stand 2006-11-04
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