Manfred Börgens
Mathematik auf Briefmarken  # 38
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Briefmarke des Monats Februar 2004

Marke mit Portrait von Cassini   St. Pierre et Miquelon 1968

  Michel 426
  Scott 378



Giovanni Domenico Cassini
Was geschah am 31. Juli 1678 ?


Giovanni Domenico Cassini (1625 - 1712)
Cassinis Vornamen sind auf der Briefmarke mit J.D. abgekürzt, weil er sich nach seiner Übersiedlung nach Frankreich Jean-Dominique nannte.

Cassini stammte aus Italien. 1650 wurde er Professor für Mathematik und Astronomie an der Universität Bologna. Cassini galt auch als anerkannter Experte für Ingenieurwissenschaften und Geographie. 1668 folgte er einem Ruf Ludwigs XIV. an das Pariser Observatorium, dessen Direktor er 1671 wurde. Zwei Jahre später nahm er die französische Staatsangehörigkeit an. Cassini wurde in erster Linie als Astronom berühmt. Er entdeckte vier neue Saturnmonde und die Lücke im Saturnring, die nach ihm Cassinische Teilung heißt. Eine der großen wissenschaftlichen Herausforderungen im 17. Jahrhundert war die Bestimmung des Längengrades eines Ortes auf der Erde. Während dieses Problem für die Seefahrt erst im 18. Jahrhundert durch die Entwicklung seetauglicher Uhren gelöst wurde, konnte Cassini die Längengradbestimmung an Land mit Hilfe seiner genauen Tafeln der Bewegungen der Jupitermonde durchführen (an der Stellung der Monde lässt sich unabhängig vom Standort eine Universalzeit ablesen und mit der Ortszeit vergleichen). Cassini berechnete auch die Entfernung der Erde von der Sonne mit hoher Genauigkeit.

Cassini begründete eine Dynastie von Wissenschaftlern, da ihm sein Sohn, sein Enkel und sein Urenkel als Astronomen und Geographen nachfolgten. Sie alle wurden Direktoren des Pariser Observatoriums.


Flagge von St. Pierre et Miquelon          St. Pierre et Miquelon   -   31. Juli 1678
Flagge von
St. Pierre et Miquelon

St. Pierre et Miquelon ist eine kleine Inselgruppe vor der Südküste Neufundlands mit 7000 Einwohnern. Politisch gehören die Inseln zu Frankreich, überwiegend bewohnt von Nachfahren bretonischer und baskischer Fischer. Die Gestalt der Inseln ist auf der Marke erkennbar (unter dem Zirkel).

Auf der Briefmarke steht ein Datum: 31. Juli 1678. Zu dieser Zeit war Cassini 53 Jahre alt. Was geschah mit ihm an diesem Tag? Geschah da vielleicht etwas Besonderes auf den Inseln? Nein, vermutlich rein gar nichts. Denn man muss zu dem Schluss kommen, dass die Postverwaltung von St. Pierre et Miquelon 1968 gleich zwei Fehler auf dieser Marke gemacht hat. Sehr wahrscheinlich wollte sie nämlich mit der Briefmarke an ein Ereignis erinnern, das (nur) 200 Jahre zurücklag: Die Landung des berühmten französischen Astronoms und Geographen Jean-Dominique Cassini in St. Pierre am 31. Juli 1768. Also zeigt die Marke wohl einen Zahlendreher. Aber Giovanni Domenico Cassini lebte 1768 nicht mehr. Die wissenschaftliche Expedition von Frankreich nach Amerika im Jahr 1768 wurde von seinem Urenkel (und Nachfolger) geleitet, der (in der französischen Schreibweise) den gleichen Vornamen trug. Der zweite Fehler auf der Marke liegt im Porträt, denn dieses zeigt den Urgroßvater Giovanni Domenico Cassini.

Da man mit den vier Astronomen Cassini leicht durcheinander kommt, werden sie oft mit Cassini I - IV durchnummeriert; hier haben wir es also mit Cassini I und Cassini IV zu tun. Cassini IV führte sowohl die astronomischen als auch die geographischen Forschungen seiner drei direkten Vorfahren weiter. Seine Expedition nach Amerika diente u.a. einem Zweck, der schon seinen Urgroßvater hundert Jahre vorher beschäftigt hatte, nämlich der Längengradmessung. Der Engländer John Harrison und der Franzose Pierre Le Roy hatten um die Mitte des 18. Jahrhunderts Uhren gebaut, die während Schiffsreisen funktionstüchtig blieben. Eine Uhr des Pierre Le Roy wurde von Cassini IV auf der Expedition mitgeführt und getestet. Am 31. Juli 1768 ging er in St. Pierre an Land. Er bestimmte dort die genaue geographische Lage für die Kartographie und verfasste die erste ausführliche Beschreibung der Inselgruppe und ihrer Bewohner.


Cassinische Kurven

Nun zur Mathematik. Nach Giovanni Domenico Cassini ist eine Familie von algebraischen Kurven 4. Ordnung benannt. Wie die Ellipsen und Hyperbeln haben die Cassinischen Kurven zwei Brennpunkte. Die Punkte der Kurven sind dadurch bestimmt, dass das Produkt ihrer Abstände zu den Brennpunkten konstant ist (zum Vergleich: bei den Ellipsen ist es die Summe und bei den Hyperbeln die Differenz der Abstände). Nach dieser Definition ergibt sich die Gleichung:

(x2 + y2)2 - 2c2(x2 - y2) - (a4 - c4) = 0

Dabei liegen die Brennpunkte in  (x,y) = (c,0)  und  (x,y) = (-c,0). Das Produkt der Abstände der Kurvenpunkte zu den Brennpunkten ist  a2.

Die Gleichung in Polarkoordinaten lautet:

r2 = c2·cos(2t) +- (c4·cos2(2t) + a4 - c4)1/2

Dabei durchläuft  t  alle Winkel von  0  bis  2·Pi  und  r  beschreibt den Abstand vom Koordinatenursprung.

Die Cassinischen Kurven werden auch als "Cassinische Ovale" bezeichnet. Dagegen muss eingewendet werden, dass "oval" "eiförmig" und nicht "ellipsenähnlich" bedeutet. Ovale Kurven haben nur eine und nicht zwei Symmetrieachsen. Die unten dargestellten Graphen sind nur für  c > a  oval.

In Abhängigkeit der beiden Parameter  a  und  c  weisen die Cassinischen Kurven eine bemerkenswerte Vielfalt auf. In der folgenden ersten Serie von Graphen wird das Produkt  a2  konstant gehalten, und zwar beispielhaft mit  a = 0.45c  durchläuft bei diesen Graphen wachsende Werte, beginnend bei Null. Die Brennpunkte sind in Rot eingezeichnet.

Cassinische Kurven fuer a=0.45

In der folgenden zweiten Serie von Graphen wird  c  konstant gehalten, und zwar beispielhaft mit  c = 0.31a  durchläuft bei diesen Graphen wachsende Werte, beginnend bei Null. Die Brennpunkte sind wieder in Rot eingezeichnet.

Cassinische Kurven fuer c=0.31



Die Cassini-Mission
Expedition zum Saturn

Seit Oktober 1997 ist eine Raumsonde unterwegs von der Erde zum Saturn. Die Sonde hat den Namen Cassini erhalten, nach Giovanni Domenico Cassini. Wenn diese Monatsbriefmarke im Internet erscheint, hat die Sonde ihr Ziel fast erreicht. Anfang Juli 2004 wird sie erstmals nahe am Saturn vorbeifliegen und dann im August in eine Umlaufbahn um den Planeten einschwenken. Diese wissenschaftliche Mission ist eines der spektakulärsten Projekte der Raumfahrt. Die Ankunft von Cassini am Saturn ist für Astronomen ein Höhepunkt des Jahres 2004. Cassini trägt eine Reihe von Messinstrumenten mit sich und soll etwa vier Jahre lang den Saturn, seine zahlreichen Monde und sein Ringsystem erforschen. Im Mittelpunkt des Interesses - auch der Öffentlichkeit - werden die zur Erde übermittelten Fotos stehen (die Funksignale vom Saturn zur Erde benötigen etwa 84 Minuten). Die Cassini-Mission umfasst noch ein weiteres ambitioniertes Projekt: An Bord der Raumsonde fährt die Tochtersonde Huygens mit (nach Christiaan Huygens, 1629 - 1695, Physiker und Mathematiker). Die Sonde Huygens soll sich an Weihnachten 2004 von Cassini trennen, binnen weniger Tage zum Titan fliegen und dort landen. Titan ist der größte Saturnmond und wurde von Christiaan Huygens 1655 entdeckt. Da Titan von einer dichten, undurchsichtigen Atmosphäre umhüllt ist, kann niemand wissen, ob Huygens eine harte Landung auf einem Kontinent aus Wassereis bevorsteht oder ob die Sonde in einem Ozean aus flüssigem Methan versinken wird. Möglicherweise wird Huygens nur wenige Sekunden oder Minuten nach seiner Landung Daten senden können - falls seine Geräte den Aufprall überhaupt überstehen. Aber auch die Messdaten, die während des Abstiegs zur Titan-Oberfläche erhoben und gesendet werden sollen, werden von den Wissenschaftlern mit Spannung erwartet.

Nachträge  2005-09-15 und 2005-12-18
Die Mission der Raumsonden Cassini und Huygens ist sehr erfolgreich verlaufen. Huygens ist am 14. Januar 2005 auf Titan gelandet, auf festem Boden. Dies war die erste Landung einer Sonde auf einem "fremden" Mond. Während des zweieinhalbstündigen Sinkflugs und der ersten drei Stunden und 15 Minuten nach der Landung hat Huygens eine Fülle wissenschaftlicher Daten gesammelt und zur Erde übermittelt  -  dann versagten die Instrumente in der -180° kalten Atmosphäre. Begeisterung bei den beteiligten Wissenschaftlern lösten die Fotos von der Titan-Oberfläche und der Nachweis einer komplexen organischen Chemie auf diesem Mond aus.  -  Cassini setzt seine Reise fort, umkreist wiederholt den Saturn und liefert spektakuläre Bilder sowie Messdaten des Planeten, seiner Monde und des Ringsystems.


Informationen zu den Sonden Cassini und Huygens:
NASA
ESA



Stand 2005-12-18
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