Manfred Börgens
Mathematik auf Briefmarken  # 53
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Marke mit Portrait Wiener   Israel 1999

  Michel 1511



Norbert Wiener (1894 - 1964)


Die Eltern des amerikanischen Mathematikers Norbert Wiener waren europäische Emigranten, der Vater aus Russland, die Mutter aus Deutschland. Wiener erhielt einen bedeutenden Teil seiner Ausbildung vom Vater, einem Professor für slawische Sprachen an der Harvard University. In der High School absolvierte er die letzten Klassen zusammen mit Schulkameraden, die sieben Jahre älter waren als er. Im Alter von elf Jahren wurde er College-Student und nach seinem Abschluss dort (in Mathematik) mit 14 Jahren Student in Harvard, wo er schon vier Jahre später in Mathematischer Logik promovierte. Bis 1915 setzte er seine mathematische Ausbildung in England (Cambridge) und Deutschland (Göttingen) fort, bei einigen der renommiertesten Mathematiker seiner Zeit: Russell, Hardy, Hilbert, Landau.

Bis zum Kriegsende 1918 übte Wiener verschiedene Lehrtätigkeiten in den USA aus und arbeitete für mehrere Unternehmen sowie in der Militärforschung.

Nach dem ersten Weltkrieg erhielt Norbert Wiener eine Anstellung am Massachusetts Institute of Technology (MIT), zunächst als "Instructor of Mathematics", 1929 als Assistenzprofessor und 1931 als ordentlicher Professor. Dem MIT blieb er sein Leben lang treu. Dessen Aufstieg zur Elitehochschule ist auch mit Wieners Lehr- und Forschungstätigkeit und seiner Reputation verbunden.

Norbert Wiener kooperierte mit zahlreichen Kollegen und unternahm dafür viele Reisen, auch nach Europa und Asien. Er besaß großes Sprachtalent und erlernte u.a. Chinesisch.

Die mathematischen Leistungen Norbert Wieners sind vielfältig und häufig von physikalischen oder technischen Fragestellungen inspiriert. Er lieferte bedeutende Beiträge u.a. zur Brown'schen Bewegung, zur Quantenmechanik und zur Fourier-Transformation.

Eng verbunden ist der Name Norbert Wieners mit der Metawissenschaft Kybernetik. Wiener erkannte Gemeinsamkeiten von Regelkreisen in unterschiedlichen technischen und biologischen Umgebungen. Die Kybernetik ist kein klar umgrenztes Gebiet, deshalb sollen einige sich ergänzende und überschneidende Definitionen angegeben werden:

Wiener rückte damit Abläufe, die durch Rückkopplung (engl. Feedback) gekennzeichnet sind, in den Mittelpunkt seiner Forschungen. In einem Regelkreis wird laufend die Abweichung eines vorgegebenen Sollwerts vom aktuellen Istwert gemessen; abhängig vom Ausmaß dieser Abweichung wird eine Stellgröße verändert, die die Abweichung verringern soll. Der zirkuläre Aspekt eines Regelkreises besteht also in der sich immer wiederholenden Abfolge von Messen einer Größe und Einstellen einer anderen Größe (Stellgröße), die die erste in Richtung des Sollwerts beeinflusst. Der Begriff der Rückkopplung in einem solchen System wurde zur Beschreibung der Rückmeldung (d.h. Wiedereinspeisung) von Messwerten gewählt, deren Größe (mittelbar durch die Änderung der Stellgröße) sich auf ihre eigene Veränderung auswirkt.

Ein typisches kybernetisches System ist der Thermostat einer Heizung. Ein Thermostat misst die Raumtemperatur mit einem Sensor und vergleicht diesen Wert (Istwert) mit einem voreingestellten Sollwert. Ein Unterschied zwischen diesen beiden Werten veranlasst den Thermostat zu einem Steuerungsakt, nämlich mittels der Einstellung einer Stellgröße (z.B. Durchflussmenge von Heißwasser) die Heizung so zu regulieren, dass sich der Istwert dem Sollwert möglichst weit annähert. Diese Steuerungsakte werden wiederum über den Sensor rückgekoppelt (d.h. der Thermostat erhält ein "Feedback" seiner Steuerungsakte).

Beim Begriff "Kybernetik" wurde Wiener vom Bild des Steuermanns eines Schiffs geleitet (griech. κυβερνητησ = "kybernetes" = Steuermann; aus diesem Wort leiten sich im Lateinischen "gubernator" und im Deutschen "Gouverneur" ab). Hier ist der vorgesehene Kurswinkel der Sollwert, der tatsächliche Kurswinkel der Istwert und die Ruderstellung die Stellgröße.

Andere Regelkreise aus Technik und Physiologie sind z.B.:

Wiener begründete auch die mathematische Theorie der Kybernetik, die sich weiterentwickelt heute in der Regelungstechnik wiederfindet. Der Einsatz mathematischer Methoden ist erforderlich, um die Abhängigkeit der Veränderung der Stellgröße von der Abweichung Sollwert-Istwert berechnen zu können. Es ist ja beispielsweise nicht unmittelbar klar, um wieviel der Heißwasserdurchfluss durch ein Heizsystem verringert werden muss, wenn der Sensor eine um 1° zu hohe Raumtemperatur misst. Eine zu starke Verringerung würde das System "überschwingen" lassen, d.h. es würde zu kalt werden.

Außer der Regelungstechnik hat die Kybernetik wissenschaftliche Gebiete wie Nachrichtentheorie, Spieltheorie, Entscheidungstheorie und Systemtechnik beeinflusst. Ihre Rolle als Metawissenschaft zeigt sich auch in ihren Anwendungen in Biologie, Psychologie, Medizin und Soziologie.



Publiziert 2005-11-15          Stand 2005-08-05


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