Manfred Börgens
Mathematik auf Briefmarken  # 54
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Marke mit Portrait Banach   Polen 1982

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Stefan Banach (1892 - 1945)


Stefan Banach war einer der bedeutendsten polnischen Mathematiker und einer der herausragenden Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Er stammte aus Krakau, verbrachte aber seine Studienzeit und fast sein gesamtes wissenschaftliches Leben in Lemberg.

Die Stadt Lemberg und ihre Universität waren Banachs akademische Heimat. Sie sollen deshalb  -  im Zusammenhang mit Banachs Werdegang  -  in ihrer Bedeutung und ihrer äußerst wechselvollen Geschichte ebenfalls kurz beschrieben werden. Seit dem 14. Jahrhundert gehörte Lemberg zu Polen (polnischer Name Lvov), ebenso wie die ukrainisch-sprachige Umgebung (Galizien). 1772 fiel die Stadt an die österreichische Habsburger-Monarchie, die dort 1784 die deutschsprachige Universität gründete. Stefan Banach studierte von 1910 bis 1914 in Lemberg Ingenieurwissenschaften an der Technischen Hochschule (1844 gegründet). Zwischen den beiden Weltkriegen fiel Lemberg wieder an Polen, und Banach kehrte 1920 dorthin zurück. Ohne ein reguläres Mathematikstudium absolviert zu haben, konnte er an der Universität promovieren und sich habilitieren; dies war eine Anerkennung seiner bereits zahlreichen mathematischen Veröffentlichungen. Lembergs Universität erlebte bis zum Ausbruch des 2. Weltkriegs eine mathematische Blütezeit, die eng verbunden war mit dem Wirken Banachs als Professor ab 1922. In den beiden ersten Kriegsjahren war Lemberg sowjetisch besetzt, aber die Universität blieb geöffnet, und Banach konnte dank seiner freundschaftlichen Beziehungen zu russischen Mathematikern seinen Lehrstuhl behalten. 1941 eroberten deutsche Truppen die Stadt; die Besetzung dauerte drei Jahre lang. In dieser Zeit musste Banach in einem deutschen Institut für Infektionskrankheiten mit seinem eigenen Blut Läuse füttern. Bald nach Kriegsende starb Banach. Die Geschichte der Stadt und der Universität Lemberg ging so weiter: Die Ukraine wurde eine Republik der Sowjetunion, bis sie 1991 ein eigenständiger Staat wurde  -  der flächenmäßig zweitgrößte Staat Europas (nach Russland). Lemberg (ukrainischer Name Lviv) ist eine der bedeutendsten und größten Städte des Landes (mehr als 800.000 Einwohner); an der Universität sind etwa 15.000 Studierende eingeschrieben, außerdem hat Lemberg mehrere andere Hochschulen. Die Völker- und Konfessionsvielfalt früherer Jahrhunderte findet man heute in Lemberg nicht mehr; die jüdische Bevölkerung, die zeitweise bis zu einem Drittel ausmachte, wurde von den Deutschen während des 2. Weltkriegs weitgehend ausgerottet, und die Lemberger Polen wurden ab 1945 im Zuge der Westverlagerung des polnischen Staatsgebietes von der Sowjetregierung vertrieben.

Stefan Banach gilt als Begründer der Funktionalanalysis. Im engeren (und ursprünglichen) Sinn untersucht dieser Zweig der Mathematik Funktionale, also Abbildungen von Funktionenräumen in die reellen oder komplexen Zahlen. Im weiteren Sinn kann man die Funktionalanalysis als die Theorie der topologischen Vektorräume auffassen  -  dies sind Mengen, die sowohl eine algebraische (nämlich Vektorraum-) Struktur haben als auch eine topologische Struktur, d.h. sie erlauben Konzepte wie Grenzwert, Stetigkeit usw. Im Zentrum stehen die normierten Vektorräume, also Vektorräume, deren Elemente eine "Länge" haben, ähnlich dem Betrag reeller oder komplexer Zahlen.

Banachs Name taucht in vielen mathematischen Begriffen auf, MathWorld hat 13 Einträge dazu. Beispielhaft sollen eine Definition und ein Lehrsatz kurz erklärt werden:


Banach-Raum

Ein Banach-Raum ist ein vollständiger normierter Vektorraum, d.h. ein Vektorraum mit einer Norm, in dem jede Cauchy-Folge einen Grenzwert innerhalb des Vektorraums hat.

Einfache Beispiele für Banachräume sind die Ebene  R2  und der Raum  R3  unserer Anschauung. Die Norm eines Elementes ist dann sein euklidischer Abstand vom Nullpunkt. Es gibt allerdings auch andere Normen auf diesen Räumen.

Banach untersuchte aber vor allem unendlich-dimensionale normierte Vektorräume. Dafür soll ein einfaches Beispiel angegeben werden. Eine Verallgemeinerung eines  n-Vektors reeller oder komplexer Zahlen ist ein "unendlich langer Vektor", also eine Zahlenfolge  x = (x1, x2, x3, ...) . Der Banachraum  l1  besteht aus allen solchen Folgen mit  ||x|| <  , wobei die Norm definiert ist durch  ||x|| Σ |xn| .


Banach'scher Fixpunktsatz

Zunächst die Kurzform:
Ist  M  ein vollständiger metrischer Raum und  f : M --> M  eine kontrahierende Abbildung, so besitzt  f  genau einen Fixpunkt.

Bevor die einzelnen Begriffe erklärt werden, erst ein Beispiel:
Wir wählen das reelle Intervall  M = [-1/3, 1/3]  und  f(x) = x2 . Man stellt fest, dass  |f(a)-f(b)| = |a2-b2|  c·|a-b|  mit  c = 2/3  ist, denn  |a2-b2| = |a+b|·|a-b|  2/3·|a-b| .  0  ist offensichtlich der einzige Fixpunkt von  M , d.h.  f(0) = 0  und  f(x)  x  für  x  0 .

Ausgehend von diesem Beispiel kann man erklären, was eine kontrahierende Abbildung ist: Der Abstand zweier Bildpunkte  f(a), f(b)  muss immer kleiner sein als der Abstand der Argumente  a, b . Für diese Verkleinerung reicht aber  |f(a)-f(b)| < |a-b|  nicht aus, sondern sie muss für alle  a, b  mit einem konstanten Faktor  c < 1  wie im Beispiel erfolgen.
Was wird von der Menge  M  verlangt? Es muss eine Abstandsfunktion geben (daher "metrischer Raum"), und der Raum muss vollständig sein, d.h. jede Cauchy-Folge konvergiert innerhalb des Raumes. Insbesondere sind Banach-Räume und abgeschlossene Teilmengen davon vollständige metrische Räume.
Ist  f(x) = x , so heißt  x  Fixpunkt von  f . Der nach dem Banach'schen Fixpunktsatz existierende einzige Fixpunkt lässt sich auch konstruktiv finden: Man wählt einen beliebigen Startpunkt  x0  und setzt  xn+1 = f(xn) . Dann ist der Fixpunkt  x = lim xn . - Am obigen Beispiel lässt sich das gut nachvollziehen: Fortgesetzte Quadrierung führt auf den Grenzwert  0 .



Publiziert 2005-01-30          Stand 2005-09-12


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