Manfred Börgens
Mathematische Probleme  # 27
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Problem des Monats Februar 2003

Diesmal zusammen mit der Briefmarke des Monats Februar 2003.          Die Lösung steht im unteren Teil der Seite.

Briefmarke mit Lewis Carroll Mali 1982

Michel 899
Scott C443

Lewis Carroll (1832 - 1898)

Die Briefmarke wurde zum 150. Geburtstag Lewis Carrolls herausgegeben.
Sie zeigt Figuren aus Alice's Adventures In Wonderland:
Alice, The King Of Hearts, The Cheshire Cat, Flamingo (der im Buch als Krocketschläger verwendet wird).
Das Schachproblem im Hintergrund stammt aus dem Buch Through the Looking Glass.

Charles Lutwidge Dodgson war Mathematiker am Christ Church College in Oxford und wurde unter seinem Pseudonym Lewis Carroll als Autor von Alice's Adventures In Wonderland und anderen Büchern bekannt. Er veröffentlichte auch zahlreiche mathematische Werke. Aus einem von diesen stammt das folgende Problem, das sich Lewis Carroll in einer schlaflosen Nacht im März 1889 ausdachte.




Mehrere Männer sitzen um einen runden Tisch herum. Jeder von ihnen hat eine Anzahl von 1-Shilling-Münzen bei sich (jeder mindestens eine). Derjenige mit den meisten Münzen hat einen Nachbarn zur Linken mit einem Shilling weniger, dessen linker Nachbar hat wiederum einen Shilling weniger usw. Somit sitzt derjenige, der die wenigsten Münzen hat, rechts von dem Mann mit den meisten Münzen.

Der "reichste" Mann gibt 1 Shilling an seinen linken Nachbarn, dieser gibt dann 2 Shilling an seinen linken Nachbarn und so fort, so dass jeder einen Shilling mehr nach links weitergibt als er von rechts erhalten hat. Dieses "Spiel" macht so lange die Runde, bis ein Spieler "zahlungsunfähig" wird.


  1. Bei welchem Spieler endet das Spiel?

  2. In der wievielten Runde endet das Spiel?

  3. Wieviele Shilling-Münzen haben die einzelnen Spieler beim Abbruch?

  4. Beim Abbruch hat ein Spieler viermal so viel Münzen wie einer seiner direkten Nachbarn. Wie viele Spieler sitzen um den Tisch? Wie viele Münzen hatten sie zu Beginn?

  5. Die Lösung von 4. ist eindeutig. Für welche anderen natürlichen Zahlen  r  gibt es eine eindeutige Lösung, wenn man in 4. "viermal" durch "r-mal" ersetzt? Kann insbesondere  r = 1  vorkommen, d.h. zwei Spieler haben gleich viele Münzen?

Lewis Carroll hat sich in seinem Buch Pillow Problems auf die 4. Frage beschränkt. Die anderen Fragen wurden zur Abrundung des Problems hinzugefügt.



Lösung



Erst muss man sich auf Bezeichnungen einigen: Es sollen  n  Männer um den Tisch sitzen (n > 1); den mit den anfänglich meisten Münzen wollen wir "Krösus" nennen, den mit den wenigsten "Diogenes", dieser soll am Anfang  m  Shilling-Münzen haben.

Während einer "Transaktion" (Geld wird übergeben) hat der übergebende Spieler einen Shilling weniger als in der Runde zuvor, also hat nach  m  kompletten Runden jeder  m  Shilling-Münzen weniger als bei Beginn des Spiels. In diesem Augenblick hat also Diogenes gar keine Münzen mehr (er gibt gerade  m · n  Münzen an Krösus weiter). In der nächsten Runde erhält demnach Diogenes von seinem rechten Nachbarn  (m + 1) · n - 1  Münzen. Jetzt ist das Spiel zu Ende, denn Diogenes müsste  (m + 1) · n  Münzen weitergeben, hat aber nicht so viele.

Aus diesem Spielablauf folgen die Antworten auf die ersten drei Fragen, zunächst in "Prosa":

1.
Das Spiel endet bei Diogenes.

2.
Die Anzahl der zu spielenden Runden ist die um eins erhöhte Anzahl der Münzen, die Diogenes zu Beginn hat.

3.
Diogenes' rechter Nachbar hat beim Spielabbruch keine Münze, dessen rechter Nachbar hat eine Münze, dessen rechter Nachbar hat zwei Münzen usw.; Krösus hat also zwei Münzen weniger als es Männer am Tisch gibt. Alle anderen Münzen hat Diogenes.

2. und 3. in Kurzform: Es werden genau  m + 1  Runden gespielt, wobei die letzte Runde nicht ganz vollständig ist, weil es keine Übergabe von Diogenes an Krösus mehr gibt. Dann haben die Männer, bei Diogenes beginnend im Gegenuhrzeigersinn  (m + 1) · n - 1, 0, 1, 2, ... , n-2  Münzen.

Daraus folgt für die 4. Frage, dass nur Krösus und Diogenes gemeint sein können, und zwar muss Diogenes viermal so viele Münzen haben wie Krösus (und nicht umgekehrt), da  (m + 1) · n - 1 > n - 2.

(m + 1) · n - 1 = 4 · (n - 2)  formt man um zu  n · (m - 3) = -7.
Nun ist aber  7  eine Primzahl, also ist  m - 3 = -1  und  n = 7. Man erhält somit die Lösung:

4.
7 Spieler mit 2 (Diogenes), 3, 4, ... , 8 (Krösus) Münzen.

Bei der Verallgemeinerung in Frage 5. muss dann entsprechend  (m + 1) · n - 1 = r · (n - 2)  gelten, was zu  n · (m + 1 - r) = 1 - 2r  umgeformt werden kann. Durch Einsetzen sieht man, dass  r = 1  und  r = 2  auf keine Lösung führen. Alle anderen  r  ergeben mindestens eine Lösung, nämlich:

( r > 2 : )  n = 2r - 1  und  m = r - 2

Dies ist genau dann eine eindeutige Lösung, wenn  2r - 1  prim ist. Dies gilt z.B. für  r = 3, 4, 6, 7, 9.

Ist  2r - 1  nicht prim, erhält man mehr als eine Lösung. Denn dann ist  2r - 1 = p · q  mit  p > 1 ,  q > 1 ,  p > q  oder  p = q . Man kann also  n = p  wählen und  m + 1 - r = -q , d.h.  m = r - q - 1 . Es bleibt zu zeigen, dass dann  m > 0  ist, also  q < r - 1 . Nun ist aber  q  nicht größer als der andere Faktor  p, d.h.  q 2  beträgt maximal  2r - 1. So bleibt also nur noch der Nachweis von  2r - 1 < (r - 1) 2, und dies ist richtig, da hier nur  r > 4  betrachtet wird. Man erhält somit die Lösung:

5.
r = 1 ,  r = 2 : Keine Lösung.
r > 2  und  2r - 1  prim : Eindeutige Lösung
(n = 2r - 1  und  m = r - 2).
r > 2  und  2r - 1  nicht prim : Mehr als eine Lösung.



Stand 2003-03-08
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