Manfred Börgens
Mathematische Probleme  # 12
Liste aller Probleme mit Lösungen
voriges Problem      nächstes Problem
zur Leitseite

Problem des Monats Oktober 2001

Sie möchten sich in einem Wandspiegel vollständig sehen.

(1) Welche Maße (Höhe/Breite) muss der Spiegel mindestens haben?

(2) Wie hoch muss er aufgehängt werden?

(3) Wie hängen die Antworten auf (1) und (2) von Ihrer Entfernung vom Spiegel ab?



Lösung



1. Abschnitt

Für die Lösung muss man nur zwei Sätze kennen, einen physikalischen und einen mathematischen:

1.
Bei der Reflektion an einem Spiegel gilt für den Strahlengang: "Einfallswinkel = Ausfallswinkel", kurz:  " E = A "
  (siehe Bild 3).

2.
Strahlensatz
(Bild 1)

Skizze vom Strahlensatz
Bild 1


2. Abschnitt

Zunächst wird eine einfache, für viele praktische Zwecke ausreichende Lösung angegeben, die danach genauer analysiert wird.

Skizze
Bild 2

Wegen "E = A" folgt mit Bild 2, wie das kleinstmögliche senkrechte Maß des Spiegels berechnet wird. Dieses Höhenmaß beträgt ( a + b ) / 2 , also muss der Spiegel in der Vertikalen die halbe Körpergröße messen. Sein Fußpunkt muss dann auf der Höhe  b / 2  liegen, das heißt, die untere Kante liegt halb so hoch wie die "Augenhöhe".

Ganz wichtig: Für diese Berechnung spielt es offenbar keine Rolle, wie weit man vom Spiegel entfernt steht (das sollte man mal mit einem Handspiegel ausprobieren; wenn das Gesicht ganz reinpasst, dann bleibt das so, egal wie weit man den Spiegel weghält).

Damit ist das Problem schon weitgehend gelöst. Man sollte sich aber klar machen, dass bis hierhin die Sache etwas vereinfacht worden ist. So liegen z.B. Scheitel, Auge und Fuß nicht auf einer Geraden wie in Bild 2. Außerdem hat der Mensch zwei Augen, was sich auf die notwendige Breite des Spiegels auswirken könnte, über die bisher noch nicht gesprochen wurde.


3. Abschnitt

Wo sieht man ein (nahezu) punktförmiges Objekt  T  im Spiegel? In Bild 3 habe das Auge  B  vom Spiegel den Abstand  d,  T  den Abstand  t. Wir legen durch  B  und  T  eine Ebene senkrecht zum Spiegel:

Skizze
Bild 3

Nach dem Strahlensatz ist dann  d1 / t1 = d / t . Projiziert man also  B  und  T  auf den Spiegel (zu  B1  bzw.  T), so liegt das Spiegelbild von  T  auf der Verbindungsgeraden von  B1  und  T; die Abstände des Spiegelbilds zu diesen Punkten verhalten sich wie die Abstände von Auge und Objekt vom Spiegel. Sieht man sich das nicht "von oben" wie in Bild 3, sondern "von vorn" an, ergibt sich dieses Bild:

Skizze
Bild 4

In Bild 4 sieht man das Auge  B  und das rechte Dreieck parallelprojiziert auf den Spiegel; das linke Dreieck ist das Spiegelbild. Die Strecken  BS  und  BT  verhalten sich wie die Abstände von  B  und  T  zum Spiegel. Nun kann man bei unserem Ausgangsproblem durchaus davon ausgehen, dass das Auge vom Spiegel die gleiche Entfernung hat wie die übrige Körperfront, so dass sich wieder in guter Näherung die Halbierung der Maße des Spiegelbilds gegenüber dem Objekt (hier Dreieck) ergibt:

Skizze
Bild 5

Die "Halbierung" in Bild 2 hängt also nicht davon ab, ob das Auge auf der senkrechten Symmetrieachse der Körperfront liegt (tut es ja auch nicht).

Wichtig bei Bild 5 ist, dass das große Dreieck für irgendeinen Teil der Körperfront stehen kann. Also ist die Frage nach der notwendigen Spiegelbreite geklärt: Der Spiegel muss auch halb so breit wie der Körper sein. Mit einer kleinen Einschränkung: Man möchte vielleicht seinen ganzen Körper mit beiden Augen gleichzeitig sehen, d.h. auch dann, wenn das linke oder rechte Auge zugekniffen ist (und ohne dass man sich bewegt).

Skizze
Bild 6

Bild 6 zeigt die gleiche Projektion wie Bild 4 und Bild 5 für zwei Augen. Die Breite des Spiegels sollte also betragen:

(Maximale Körperbreite + Augenabstand) / 2



Stand 2003-01-19
voriges Problem   |    Liste aller Probleme mit Lösungen   |    nächstes Problem
Manfred Börgens   |    zur Leitseite