Manfred Börgens
Mathematische Probleme  # 97
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Aufsteigende Würfel 1

          Die Lösung steht im unteren Teil der Seite.

Für ein bestimmmtes Spiel werden sechs Würfel benötigt. Sie erhalten verschiedene "Gewichte": Einer der Spielwürfel zählt standardmäßig von 1 bis 6, bei den anderen wird die geworfene Augenzahl mit 2, 3, 4, 5 bzw. 6 multipliziert ("gewichtet"). Damit man sie unterscheiden kann, haben die Würfel verschiedene Größen wie in Bild 1 (je größer der Würfel, desto größer der Gewichtsfaktor, aber das wird erst im 2. Teil dieses Problems eine Rolle spielen).

6 Wuerfel

Bild 1


Für das Spiel müssen die gewichteten Augenzahlen zu "Punkten" addiert werden. Dies ergibt in Bild 1

1·1 + 2·6 + 3·1 + 4·6 + 5·6 + 6·1 = 76 Punkte


Aufgabe 1

Berechnen Sie den Erwartungswert und die Varianz der Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Punkte. Die Verteilung selbst soll dafür nicht herangezogen werden.


Aufgabe 2

Zeigen Sie, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilung symmetrisch ist. Was bedeutet das für den Median?


Aufgabe 3

Berechnen Sie die Wahrscheinlichkeitsverteilung (mit Hilfe eines Programms).


Aufgabe 4

Wie gut lässt sich die Wahrscheinlichkeitsverteilung durch eine Normalverteilung approximieren?



Lösung



Aufgabe 1

Berechnen Sie den Erwartungswert und die Varianz der Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Punkte. Die Verteilung selbst soll dafür nicht herangezogen werden.

Für einen normalen und fairen Spielwürfel berechnet man leicht  7/2  als Erwartungswert und  35/12  als Varianz. Der  n-te Würfel hat dann  n·7/2  als Erwartungswert und  n2·35/12  als Varianz. Man geht von der Unabhängigkeit der Augenzahlen auf den sechs Würfeln aus und erhält als Gesamt-Erwartungswert bzw. Gesamt-Varianz die Summe der sechs einzelnen Erwartungswerte bzw. Varianzen:

μ = 147/2 = 73,5      σ2 = 3185/12 = 265,41666...


Aufgabe 2

Zeigen Sie, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilung symmetrisch ist. Was bedeutet das für den Median?

Den Definitionsbereich der Verteilung bilden die natürlichen Zahlen von  21  bis  126 . Die Verteilung wollen wir  P  nennen. Für die Symmetrie ist zu zeigen:

P(21+i) = P(126-i), i = 0,1,...,52

#(j) soll die Anzahl derjenigen Ergebnisse beim Würfeln sein, die  j  Punkte ergeben. Insgesamt gibt es  66 = 46656  solcher Ergebnisse. Somit ist

P(j) = #(j)/46656

Es reicht also zu beweisen, dass

#(21+i) = #(126-i), i = 0,1,...,52

Wir wollen das zunächst an einem Beispiel zeigen. Für  i = 6  müsste  #(27) = #(120) sein. Wir rechnen das nach und erhalten jeweils  10  Ergebnisse:

a b c d e f

1 1 1 1 1 2
1 1 3 1 1 1
1 2 1 2 1 1
1 4 1 1 1 1
2 1 1 1 2 1
2 2 2 1 1 1
3 1 1 2 1 1   
denn   1·3 + 2·1 + 3·1 + 4·2 + 5·1 + 6·1 = 27 , die anderen analog
3 3 1 1 1 1
4 1 2 1 1 1
5 2 1 1 1 1

2 5 6 6 6 6
3 6 5 6 6 6   
denn   1·3 + 2·6 + 3·5 + 4·6 + 5·6 + 6·6 = 120 , die anderen analog
4 4 6 6 6 6
4 6 6 5 6 6
5 5 5 6 6 6
5 6 6 6 5 6
6 3 6 6 6 6
6 5 6 5 6 6
6 6 4 6 6 6
6 6 6 6 6 5


Somit ist  #(27) = #(120) = 10 . Man erhält aber nicht nur die selbe Zahl von Würfelergebnissen, sondern auch eine Symmetrie bei den Augenzahlen: Bei der ersten Zeile für  27  Punkte und der letzten Zeile für  120  Punkte handelt es sich jeweils um gegenüberliegende Augenzahlen; wenn z.B. die  1  oben liegt, liegt die  6 (unsichtbar) unten. Das gleiche gilt für die zweite Zeile für  27  Punkte und die vorletzte Zeile für  120  Punkte usw. Gegenüberliegende Augenzahlen addieren sich zu  7 . Also gehört zu jedem Würfelergebnis (a,b,c,d,e,f) mit  27  Punkten genau eines mit  120  Punkten, nämlich (7-a,7-b,7-c,7-d,7-e,7-f) (entsteht durch Umdrehen der Würfel). Wir wollen das nachrechnen:

1·a + 2·b + 3·c + 4·d + 5·e + 6·f = 27   ⇔   1·(7-a) + 2·(7-b) + 3·(7-c) + 4·(7-d) + 5·(7-e) + 6·(7-f) = 21·7 - 27 = 120

Wir verlassen nun das Beispiel und verallgemeinern die eben gezeigte Äquivalenz:

1·a + 2·b + 3·c + 4·d + 5·e + 6·f = 21 + i   ⇔   1·(7-a) + 2·(7-b) + 3·(7-c) + 4·(7-d) + 5·(7-e) + 6·(7-f) = 21·7 - (21 + i) = 126 - i

Also gilt  #(21+i) = #(126-i).

Aus der Symmetrie der Verteilung folgt, dass der Median gleich dem Erwartungswert  73,5  ist.


Aufgabe 3

Berechnen Sie die Wahrscheinlichkeitsverteilung (mit Hilfe eines Programms).

Aus Aufgabe 2 wissen wir:

P(j) = #(j)/46656

#(j) ist die Anzahl der Lösungen der Gleichung

1·a + 2·b + 3·c + 4·d + 5·e + 6·f = j

Die sechs auftretenden Variablen sind der Menge  {1,2,3,4,5,6}  zu entnehmen.  -  Dabei lässt man sich besser von einem Programm helfen. In Mathematica geht das mit dem Befehl  Reduce . Die Verteilung ergibt das folgende Bild.

Verteilung

Bild 2

Die Glockenform der Verteilung lässt vermuten, dass eine gute Approximation durch eine Normalverteilung möglich ist. Das führt zur nächsten Aufgabe.


Aufgabe 4

Wie gut lässt sich die Wahrscheinlichkeitsverteilung durch eine Normalverteilung approximieren?

Der naheliegende Weg, die "passende" Normalverteilung zu finden, ist die Übernahme von  μ  und  σ  aus Aufgabe 1 für die Parameter der Normalverteilung. Man erhält dann das folgende Bild:

NV-Naeherung

Bild 3

Die grüne Kurve in Bild 3 ist der Graph der Dichte  PNV  der Normalverteilung. Das Ergebnis ist leicht enttäuschend, denn besonders gut sieht die Näherung nicht aus. Wir wollen vier Gütemaße berechnen, um die Qualität der Approximation zu quantifizieren:

abs-mittel = durchschnittliche absolute Abweichung
abs-max = maximale absolute Abweichung
rel-mittel = durchschnittliche relative Abweichung
rel-max = maximale relative Abweichung


Das muss präzisiert werden. Es wird für jedes  j  {21, 126}  der Wert  P(j) (entspricht den einzelnen Balkenflächen) verglichen mit der zugehörigen Fläche  Nj  unter der Normalverteilung:

Nj = j-.5 < x < j+.5 PNV(x)dx

Die absolute Abweichung ist  |P(j)- Nj|  und die relative Abweichung ist  |P(j)- Nj|/P(j). Der Durchschnitt bzw. das Maximum wird dann über alle  j  genommen. Damit erhalten wir:

abs-mittel ≈ 0,000438
abs-max ≈ 0,00115
rel-mittel ≈ 0,509
rel-max ≈ 6,737


Die maximale absolute Abweichung von ca.  0,00115  findet man bei  j = 73  und  j = 74 .

Die relative Abweichung zeigt deutlich auf, warum die Normalverteilung keine gute Näherungsverteilung für  P  ist. Wir wollen das zur Verdeutlichung in  %  ausdrücken: Im Mittel weicht der Normalverteilungswert  Nj  um ca.  50,9 %  vom wahren Wert  P(j) ab; und im Maximum beträgt die Abweichung ca.  673,7 %  vom wahren Wert (diese Abweichung findet man bei  j = 22  und  j = 125 ) .


Publiziert 2016-12-26          Stand 2015-11-25


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