Manfred Börgens
Mathematik auf Briefmarken  # 46
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Briefmarke des Monats November 2004

Marke mit Portrait von Ramanujan   Indien 1962

  Michel 349
  Scott 369




Srinivasa Aiyangar Ramanujan (1887 - 1920)

S. A. Ramanujan weist eine sehr erstaunliche (und anrührende) Biographie auf. Er gilt als Indiens bedeutendster Mathematiker und wurde mit dieser Briefmarke zum 75. Geburtstag geehrt.

Ramanujan wuchs in Südindien auf und begann im Alter von 12 Jahren, sich mit Mathematik zu beschäftigen. Innerhalb der nächsten acht Jahre studierte und forschte er in verschiedenen mathematischen Gebieten, hatte aber dabei fast gar keine Anleitung durch Lehrer oder Fachleute. Nur ein einziges, zudem völlig veraltetes Buch über Elementarmathematik stand ihm anfangs zur Verfügung. In diese Zeit fiel sein vorzeitiges Verlassen des Staatlichen Colleges in Kumbakonam (1905) und sein vergeblicher Versuch (1906), eine Zulassungsprüfung für das Studium an der Universität Madras zu bestehen. Er scheiterte in allen Prüfungsgebieten außer Mathematik. Bis 1904 war Ramanujan in allen Fächern ein sehr guter Schüler gewesen, beschäftigte sich aber danach nur noch mit Mathematik und schaffte deshalb zunächst nicht den Weg an die Universität.

Spätestens seit dem Verlassen des Colleges lebte Ramanujan in Armut. Oft erkrankte er ernsthaft. Erst 1911 fand er eine Anstellung als Buchhalter. Dennoch wurde er um diese Zeit den Mathematikern an der Universität Madras bekannt, u.a. durch mehrere Publikationen im Journal of the Indian Mathematical Society, und erwarb sich schnell den Ruf eines Genies.

Die Wende in Ramanujans Leben ereignete sich im Jahr 1913. Im Januar schrieb er einen Brief an den renommierten englischen Mathematiker Godfrey Harold Hardy, der ihm schon im Februar eine sehr ermutigende Antwort gab. Ramanujans zweiter Brief zeigt, in welcher Lage sich dieser äußerst bescheidene Mann sah: "... Ich bin bereits halb verhungert. Um mein Gehirn in Gang zu halten, muss ich mich ernähren; dem gilt mein vorrangiges Bestreben. Ein wohlmeinender Brief von Ihnen kann mir helfen, ein Stipendium von der Universität oder vom Staat zu erhalten ..." Im Mai erhielt Ramanujan dieses Stipendium und konnte ab dann seine Arbeiten an der Universität Madras fortsetzen. Nur zehn Monate später bestieg er das Schiff, das ihn nach England bringen sollte, zu seinem Förderer Hardy am Trinity College in Cambridge.

Sofort nach Ramanujans Ankunft in Cambridge begannen er und Hardy, gemeinsam mathematische Probleme zu bearbeiten. Hardy erkannte sofort, dass Ramanujan kaum die formalen Sprech- und Schreibweisen der akademischen Mathematik beherrschte. Dessen Zugang zur Mathematik war vielmehr sehr intuitiv; die Notwendigkeit von nachvollziehbaren Beweisen war ihm fremd. Die Zusammenarbeit Ramanujans mit Hardy, und zeitweise mit dessen Kollegen John Edensor Littlewood, erwies sich dennoch von Anfang an als voller Erfolg. Gemeinsam erzielten sie eine Vielzahl bedeutender Resultate. Sehr häufig lieferte Ramanujan dabei den "genialen", originellen Anteil. Hardy, wie auch die Mathematiker nach ihm, fand es oft unbegreiflich, wie Ramanujan zu seinen tiefen Einsichten in die Mathematik kam.

Ramanujan war dort angekommen, wo sich sein mathematisches Talent ungehindert entfalten konnte. Trinity College in Cambridge war eine Hochburg der Mathematik und bot ihm nach Jahren der Entbehrung einen sicheren Hafen. Er konnte dort studieren und forschen, obwohl er die formalen Zulassungsvoraussetzungen nicht mitbrachte. 1916 schloss er seine Promotion ab.

Aber Srinivasa Ramanujan war ein kranker Mann. Seine Gesundheit war seit jeher prekär gewesen, aber jetzt bekam ihm zusätzlich das englische Wetter nicht. Er ernährte sich nach den Regeln seiner Religion, was aber durch die Beschränkungen erschwert wurde, die der Erste Weltkrieg mit sich brachte. Es lag ihm gänzlich fern, gesundheitliche Vorsorge zu treffen. Viele Monate verbrachte er im Krankenbett.

Den Höhepunkt seines kurzen Lebens und seiner steilen und außergewöhnlichen mathematischen Laufbahn erreichte Ramanujan 1918. In kurzer Folge wurde er "Fellow of the Cambridge Philosophical Society", "Fellow of the Royal Society of London" und "Fellow of Trinity College Cambridge". Im Februar 1919 kehrte Ramanujan als anerkannter Mathematiker in seine Heimat zurück. Dort starb er im Jahr darauf im Alter von 32 Jahren.

Ein denkwürdiges Detail in Ramanujans Biographie: Er wurde von seiner Mutter 1909, im Alter von 21 Jahren, mit einem zehnjährigen Mädchen verheiratet. Die beiden lebten ab 1911 zusammen, bis dann 1914 Ramanujan (alleine) nach England abreiste. Die Witwe Ramanujan starb hochbetagt 1994.

Das frühe mathematische Werk Ramanujans umfasst vorwiegend Beiträge zu unendlichen Reihen, Kettenbrüchen und den Bernoulli-Zahlen. Spätere Forschungsergebnisse erzielte er zur Zahlentheorie, zu elliptischen Integralen und zu Partitionen. Ramanujan hinterließ drei Notizhefte voller mathematischer Formeln, die seither als Fundgrube für die mathematische Forschung dienen. Lange waren viele Einträge in diesen Notizheften ziemlich rätselhaft, was ihre Beweisbarkeit und ihre Entstehung angeht. Bruce C. Berndt hat alle 3542 Einträge dieser Hefte in 20-jähriger Arbeit analysiert und alle fehlenden Beweise geliefert.

Hier sind einige der einfacheren Einträge aus den "Ramanujan Notebooks"; sie stehen beispielhaft für Ramanujans besondere Vorliebe für Summen- und Produktformeln:


Summenformel fuer 10 - Pi-Quadrat


Summenformel fuer ln 2


Produktformel fuer cosh(.5 Wurzel3 Pi)


Summenformel fuer ln(x/(exp(x)-1))

Diese Identität gilt für  |x| < 2·Pi . Hier ist  Bk  die k-te Bernoulli-Zahl. Sie ist definiert durch die Reihenentwicklung der folgenden Funktion für  |x| < 2·Pi :

Summenformel fuer x/(exp(x)-1)



Stand 2004-07-12
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