Manfred Börgens
Mathematik auf Briefmarken  # 91
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Novalis-Postkarte

Verein für Briefmarkenkunde Zeitz 2012



Dieser Mann schrieb

"Die Mathematiker sind die Einzig Glücklichen."

NOVALIS alias Friedrich von Hardenberg (1772 - 1801)



Ein kurzes Porträt des Dichters und Philosophen Novalis soll helfen, diese erstaunliche Behauptung zu verstehen.

Novalis wurde 1772 als Friedrich Freiherr von Hardenberg in Wiederstedt (Sachsen-Anhalt) geboren. Sein Pseudonym verwendete er nur für seine Dichtung, aber unter diesem Namen ist er heute am besten bekannt, und deshalb wird auf dieser Seite so genannt.


Es gibt keine Briefmarke einer staatlichen Postbehörde mit Novalis' Bild. Die Postkarte wurde vom Verein für Briefmarkenkunde Zeitz von 1880 herausgegeben. Die Philatelisten aus Zeitz blicken auf eine lange Tradition zurück und ehrten ihren berühmten sachsen-anhaltischen Landsmann zu seinem 240. Geburtstag.

Durch den schönen und offiziellen Stempel erhielt Novalis also schließlich doch noch eine philatelistische Würdigung der Deutschen Post.

Die Herausgabe der Postkarte wurde durch die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft unterstützt. Deren Kurzform MIBRAG sehen wir unter Novalis' Porträt mit dem Motto "Mehr als nur Kohle".
Novalis-Stempel

Es gibt allerdings eine Novalis-Briefmarke, die vom kommerziellen Kurierdienst Sangerhäuser Kurier im Mai 2009 herausgegeben wurde:

Novalis-Marke


Trotz seiner aristokratischen Herkunft musste Novalis einen Beruf erlernen  -  das war der Wunsch seines Vaters Heinrich und auch sein eigener. Der Vater war Direktor der kursächsischen Salinen, und dort sollte Novalis schließlich auch angestellt werden  -  aber vorher musste er studieren. Mit 18 Jahren nahm er das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Jena auf  -  anfänglich mit wenig Begeisterung. Nach einem Jahr wechselte er an die Universität Leipzig und setzte dort seine Studien für drei Semester fort. Es ist anzunehmen, dass er in Leipzig erstmals mit der akademischen Mathematik Bekanntschaft machte. Er wechselte ein weiteres Mal die Universität und schloss ein Jahr später sein Rechtsstudium in Wittenberg ab.

Novalis begann schon früh eine zweite Laufbahn  -  die eines Poeten. Sein Vater wusste davon nichts. Novalis war einer der frühen Dichter der Romantik, der heute für seine Lyrik und seine anderen Schriften berühmt ist.

Novalis wurde 1794 "Aktuarius" (ein Beamter niederen Ranges) in der Kreisverwaltung in Tennstedt (Thüringen). 1796 nahm er die Arbeit als "Akzessist" in der Verwaltung der Salzminen in Weißenfels (Sachsen-Anhalt) auf. Sein Vater war sein Vorgesetzter. Zu dieser Zeit hatte er nur geringe Kenntnisse über das Salinenwesen und erkannte bald, dass für eine angemessene Stellung in der Minenverwaltung naturwissenschaftliche Studien erforderlich waren.

Während dieser ersten Arbeitsphase an den Salzminen starb seine Verlobte Sophie von Kühn. Dieser Verlust ließ ihn über Suizid nachdenken; in dieser Zeit entstanden die "Hymnen an die Nacht".

Novalis nahm erneut ein Studium auf und schrieb sich 1797 für Bergbauwissenschaften  -  was u.a. Physik, Mathematik, Chemie, Mineralogie, Mechanik and Metallurgie umfasste  -  an der Bergakademie Freiberg in Sachsen ein. Freiberg war (seit 1765) die erste Technische Universität in Europa, und war für eine profunde ingenieurwissenschaftliche Ausbildung bekannt. Novalis' Mathematikprofessor war Johann Friedrich Lempe. Der bereits emeritierte Prof. Johann Friedrich Wilhelm von Charpentier gewährte ihm Zugang zu seiner Privatbibliothek. Novalis schloss dieses Studium 1799 ab und kehrte an seinen Arbeitsplatz in der Salinendirektion in Weißenfels zurück. Dort wurde er am Ende des Jahres zum Assessor befördert. Nachdem Novalis an der ersten kursächsischen geologischen Landesvermessung beteiligt war, ernannte man ihn 1800 zum Landrat.

Das letzte Jahr in Freiberg und die folgenden beiden ihm noch verbleibenden Lebensjahre waren von großer Bedeutung für Novalis' dichterisches und philosophisches Schaffen. In dieser Zeit schrieb er seinen unvollendeten Roman "Heinrich von Ofterdingen", wo wir der "Blauen Blume" begegnen, einem Schlüsselbegriff der Romantik.

Novalis starb im Frühling 1801, vermutlich an Tuberkulose.

Wie stand Novalis zur Mathematik? Offenbar war er einer ihrer enthusiastischsten Verehrer! Er hinterließ zahlreiche Aufzeichnungen aus seinen Freiberger Studien, die durchweg durch eigene Gedanken kommentiert sind und die sein starkes Interesse an der Mathematik bezeugen, insbesondere an ihren philosophischen Grundlagen. Novalis war ein Zeitgenosse von Immanuel Kant; Kants Philosophie der Mathematik war damals noch neu und wurde in den gebildeten Kreisen diskutiert.  -  Und dies sind einige der wirklich bemerkenswerten Aussagen von Novalis über die Mathematik:

Der Begriff der Mathematik ist der Begriff der Wissenschaft überhaupt. Alle Wissenschaften sollen daher Mathematik werden.

Jedes wahre System muss dem Zahlensystem ähnlich geformt sein.

[Mathematik] ist der vollgültigste Zeuge des Naturidealismus. Der innige Zusammenhang , die Sympathie des Weltalls, ist ihre Basis.

Das höchste Leben ist Mathematik.

Der echte Mathematiker ist Enthusiast per se. Ohne Enthusiasmus keine Mathematik.

Das Leben der Götter ist Mathematik. Alle göttlichen Gesandten müssen Mathematiker sein.

Reine Mathematik ist Religion.

Die Mathematiker sind die Einzig Glücklichen. Der Mathematiker weiß alles.

Wer ein mathematisches Buch nicht mit Andacht ergreift und es wie Gottes Wort liest, der versteht es nicht.


Das sind starke Worte. So würde das wohl heute kaum jemand ausdrücken. Novalis' Biographie gibt uns aber den Schlüssel zu seiner großen Verehrung der Mathematik. In ihr verbinden sich seine akademische Ausbildung, für die er die Mathematik als Grundpfeiler kennengelernt hatte, und sein romantisches Weltbild.

Novalis' Worte sind eine ergiebige Quelle zur Rückenstärkung von Mathematikern. Sie wären (mit etwas Augenzwinkern) auch geeignet für Projekte zur Popularisierung der MINT-Fächer.

Die Zitate finden sich im dritten Band von Novalis' Gesammelten Werken, und zwar in den Abschnitten "Fragmente und Studien" und "Das Allgemeine Brouillon". Zum Abschluss ein Zitat aus dem Brouillon:

Je inniger die gesamten Wissenschaften zur Beförderung ihres gemeinschaftlichen Interesses, des Wohls der Menschheit, zusammentreten und die Philosophie zur Vorsitzerin und Leiterin ihrer Beschlüsse nehmen werden, desto leichter wird jener Druck, desto freier die Brust des Menschengeschlechts werden.



Publiziert 2015-05-06          Stand 2014-06-05


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