Manfred Börgens Mathematische Probleme # 77 |
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Chinesisches Nim - Wijthoffs Spiel
Die Lösung steht im unteren Teil der Seite.
Dies ist bereits das dritte Nim-Problem auf dieser Website (siehe # 46 und # 58). Es ist benannt nach
Willem Abraham Wijthoff (1865 - 1939), einem niederländischen Mathematiker, der es 1907 beschrieben hat. Sehr häufig findet man es unter dem Namen Chinesisches Nim.
Robert Heidenreich hat dieses Spiel in seiner Bachelor-Thesis (2011) an der Technischen Hochschule Mittelhessen analysiert.
Hier ist die Spielregel: Zwei Spieler nehmen abwechselnd Münzen von zwei Stapeln weg. Die beiden Münzstapel enthalten bei Spielbeginn verschiedene Anzahlen a und b von Münzen. Der Spieler, der am Zuge ist, sucht sich entweder einen Stapel aus und entnimmt ihm beliebig viele Münzen, oder er nimmt von beiden Stapeln dieselbe Anzahl Münzen weg. Sieger des Spiels ist, wer die letzte Münze nimmt.
Wie auch andere Nim-Spiele ist Chinesisches Nim im Sinne der Spieltheorie ein neutrales oder objektives Spiel. Für jede Spielposition (a,b) gewinnt bei fehlerlosem Spiel entweder immer der Anziehende oder der Nachziehende.
Als Gewinnposition soll (a,b) gelten, wenn der Anziehende gewinnt; (a,b) heißt Verlustposition, wenn der Nachziehende gewinnt. Offenbar liegt bei a = 0 , bei b = 0 und bei a = b eine Gewinnposition vor. Eine Spielanalyse für kleine Werte von a und b zeigt schnell, dass es viel mehr Gewinn- als Verlustpositionen gibt. Es liegt also nahe, nur die Verlustpositionen zu bestimmen. Da es sich um abzählbar viele Positionen handelt, sollen sie übersichtlich angeordnet werden. Zunächst kann man immer a < b wählen. Die Werte von a für die Verlustpositionen sollen aufsteigend geordnet werden, wir wollen sie mit xn bezeichnen. Die zugehörigen Werte von b nennen wir dann yn .
Aufgabe 1
Wenn man annimmt, dass z in zwei Verlustpositionen vorkommt ( a = z oder b = z ), muss es mit "Partnern" c und d kombiniert sein; o.E. sei c < d . Wenn der Anziehende (z,d) oder (d,z) vorfindet, kann er vom d-Stapel d - c Münzen wegnehmen, also c Münzen hinterlassen und somit eine Verlustposition erzeugen. Dann wäre aber die Ausgangsposition eine Gewinnposition gewesen. Somit ist die Annahme falsch.
Aufgabe 2
Der Schlüssel für die rekursive Berechnung von xn+1 mittels der (xi,yi) (i ≤ n) liegt in dieser Menge:
Wir wählen beispielhaft n = 4,6,9 und schauen uns jeweils die Vereinigungsmenge sowie xn+1 an:
Vermutung: xn+1 ist die kleinste natürliche Zahl, die nicht unter den xi oder yi mit i ≤ n vorkommt. Formal heißt das:
Die Vermutung über die yn ergibt sich durch bloßes Hinsehen:
yn = xn + n
Beweis
(x1,y1) = (1,2) und (x2,y2) = (3,5) berechnet man leicht von Hand. Das ist der Induktionsanfang. Sei nun n > 1 und seien die (xi,yi) für i ≤ n wie in der Vermutung gebildet. Wegen Aufgabe 1 ist dann das kleinstmögliche a , das für xn+1 in Frage kommt:
Wir zeigen nun, dass mit xn+1 = a und yn+1 = xn+1 + n+1 eine Verlustposition entsteht.
Nimmt man vom kleineren Stapel oder von beiden Stapeln Münzen weg, so bleibt die Differenz größer als n ; also kann kein (xi,yi) für i ≤ n entstehen, aber auch kein (xi,yi) für i > n+1 , da die xi streng monoton wachsen.
Nimmt man vom größeren Stapel Münzen weg, so entsteht die Differenz d ≤ n . Dafür käme als Verlustposition nur (xd,yd) in Frage. Der Stapel mit xn+1 Münzen wurde nicht verändert, aber xn+1 ≠ xd und xn+1 ≠ yd wegen der Definition von xn+1 .
In beiden Fällen hinterlässt man also eine Gewinnposition; deshalb muss die Ausgangsposition eine Verlustposition sein. Wegen der Monotonie der xn ist also xn+1 = a korrekt gewählt. Ein weiteres yn+1 außer yn+1 = xn+1 + n+1 kann es wegen Aufgabe 1 nicht geben.
Aufgabe 3
Die Folgerungen liegen auf der Hand. Denn aus der Lösung zu Aufgabe 2 folgt, dass die Vereinigung aller {xi,yi} für i ≤ n alle natürlichen Zahlen {1, 2, ... , xn} umfasst und wegen n ≤ xn (Monotonie der xn ) mindestens die ersten n natürlichen Zahlen enthält.
Auch xn < 2n folgt induktiv aus dem Beweis von Aufgabe 2: Wäre xn+1 ≥ 2n+2 , so lägen mindestens 2n+1 natürliche Zahlen unterhalb von xn+1 ; aber die Vereinigungsmenge aus der rekursiven Definition von xn+1 enthält nur 2n Elemente.
Aufgaben 4 und 5
Ein wenig Probieren zeigt, dass xn/n immer näher (von unten) an r 1,62 rückt. So stellt sich die Vermutung ein, dass r = Φ ist. Φ steht für die Goldene Zahl:
Somit wäre xn Φ·n mit xn < Φ·n , und es liegt nahe, dass xn = Φ·n . Dabei steht . für die ganzzahlige Abrundung.
Dann ist yn = Φ·n + n = Φ·n + n = ( Φ + 1 )·n = Φ2·n .
Beweis
Die letzte Umformung werden wir in Aufgabe 7 verwenden; sie folgt aus der Tatsache, dass Φ eine Lösung von Φ2 - Φ - 1 = 0 ist.
Aufgabe 6
Publiziert 2011-12-30 Stand 2010-08-17
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