Manfred Börgens Mathematik auf Briefmarken # 92 |
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Tonga 1984 Michel 897, 896 Scott 587, 586
Niuafo'ou 1984 Michel 47, 46 Scott 47, 46
Diese Seite erscheint gleichzeitig als Problem # 92.
Zeitzonen und Datumslinie
Wann ist auf der gesamten bewohnten Erde Mittwoch ?
Mit den vier abgebildeten Briefmarken feierte das pazifische Königreich Tonga mit der (zu Tonga gehörenden) Insel Niuafo'ou den 100. Jahrestag der Washingtoner Meridiankonferenz, auf der der 0. Längengrad durch Greenwich bei London festgelegt wurde.
Niuafo'ou besitzt die eigene Posthoheit innerhalb des Staates Tonga und gibt deshalb auch Briefmarken aus (in etwa vergleichbar mit Macao in China).
Das verbindende Merkmal der vier Marken (und des Mittelstücks zwischen den Tonga-Marken) ist die rote Datumslinie, die unmittelbar östlich von Tonga verläuft. Ihre Gestalt ist nur symbolisch zu verstehen; in Wirklichkeit nimmt sie einen wesentlich unregelmäßigeren Verlauf.
Sandford Fleming (1827 - 1915)
Auf der oberen linken Briefmarke ist der schottisch-kanadische Ingenieur und Geodät Sandford Fleming abgebildet. Er wurde bekannt durch den Eisenbahnbau in Kanada sowie seine Initiative zur Einführung der Zeitzonen und des Nullmeridians durch Greenwich, die zur Washingtoner Meridiankonferenz führte.
George Biddell Airy (1801 - 1892)
Auf der oberen rechten Briefmarke ist der Mathematiker und Astronom George Airy abgebildet, der bereits mit der Briefmarke # 10 vorgestellt wurde. Er legte den Nullmeridian genau durch die Mittelachse seines Transit-Teleskops in der Sternwarte Greenwich. Dies fand später internationale Anerkennung. Heute liegt der Nullmeridian in Greenwich ca. 100 m weiter östlich. Auf der Marke sind der Nullmeridian (ganz links auf dem linken Globus) und sein Gegenpart 180° (ganz links auf dem rechten Globus) in rosa eingezeichnet.
Die Zeitzonen auf den Briefmarken
Im Hintergrund der beiden linken Marken sieht man eine Karte des südwestlichen Teils des Pazifischen Ozeans mit der Inselgruppe Tonga (auf der oberen Marke in Rot). Niuafo'ou liegt auf der unteren Marke in dem kleinen Quadrat in einem Winkel der Datumslinie und ist rechts vergrößert abgebildet. Ganz links ist der Osten Australiens zu sehen, unten die Nordinsel Neuseelands. Die senkrechten Linien bezeichnen die Längengrade im Abstand von 7,5°, von 142,5° Ost (am linken Rand) bis 142,5° West, wenn man die Ränder mitzählt. Je zwei senkrechte Streifen umfassen also 15 Längengrade und damit eine nautische Zeitzone. Die oberen Randmarkierungen bezeichnen jeweils die Mitte einer dieser Zeitzonen, also 150° Ost, 165° Ost, 180°, 165° West, 150° West. Schaut man sich am unteren Rand die Abweichungen der Uhrzeit in den Zeitzonen von der Uhrzeit in Greenwich an, so sieht man, dass die mittlere nautische Zeitzone nochmal geteilt wird, so dass die folgende Einteilung erkennbar wird:
142,5° ... 157,5° Ost +10 h
157,5° ... 172,5° Ost +11 h
172,5° Ost ... 180° +12 h
180° ... 172,5° West -12 h
172,5° ... 157,5° West -11 h
157,5° ... 142,5° West -10 h
Auf der unteren rechten Marke sind 12 äquidistante Meridiane eingezeichnet, mit 7 zugehörigen Uhrzeiten.
Nautische Zeitzonen und die Datumslinie werden in den nun folgenden Abschnitten ausführlich behandelt.
Festlegung der Uhrzeit
In früheren Zeiten wurden die Uhren meist nach der lokalen Sonnenzeit gestellt, also war es 12 Uhr mittags, wenn die Sonne am höchsten stand. Die Erfindung der Telegraphie und die Ausbreitung der Eisenbahnnetze im 19. Jahrhundert waren wesentliche Faktoren, die eine Vereinheitlichung der Uhrzeit auf nationaler Ebene und eine gegenseitige internationale Abstimmung erforderlich machten. Im Deutschen Reich wurde 1893 eine einheitliche Zeit gesetzlich eingeführt, nämlich die mittlere Sonnenzeit auf dem 15. östlichen Längengrad (siehe Bild 3). Die internationale Abstimmung besteht im Wesentlichen darin, dass die Unterschiede in den Uhrzeiten verschiedener Staaten oder Regionen fast immer in ganzen Stunden festgelegt wurden. So ist es beispielsweise in Großbritannien immer eine Stunde früher als in Deutschland (siehe Bild 3).
Da die Mittagssonne in einer Stunde 15 Längengrade überstreicht (1/24 von 360°), lag es nahe, die Erde in 24 Zeitzonen einzuteilen. Die Internationale Meridiankonferenz 1884 in Washington bestimmte als Nullmeridian (Längengrad 0°) den von Airy definierten Meridian durch Greenwich bei London. Dies diente in der Folgezeit der Festlegung von Zeitzonen, die sich rund um die Welt um volle Stunden von der Greenwich-Zeit unterscheiden.
Die Zählung der Längengrade soll im Folgenden von Greenwich ostwärts voranschreiten, im Intervall [0°, 360°). Weit verbreitet ist auch die Angabe der Längengrade in den Intervallen [0°, +180°] ostwärts von Greenwich und [0°, -180°) westwärts von Greenwich, so wie auf den Briefmarken zu sehen. Beide Zählungen lassen sich leicht ineinander umrechnen.
Ideale (mathematische) Zeitzonen
Diese Zeitzonen haben die Gestalt von Kugelzweiecken (mit den Ecken an den Polen) mit ihrer Mittellinie entlang eines Meridians, der auf einem Längengrad n·15° verläuft (also auf Vielfachen von 15°, n ∈{0,1,2,...,23}), und deren westliche bzw. östliche Begrenzung die Längengrade n·15°-7,5° bzw. n·15°+7,5° sind (siehe Bild 1). Die Zeitzone, in der Greenwich liegt, läuft also von 352,5° bis 7,5° (oder von -7,5° bis +7,5°). Diese Zeitzone wird als UTC (Universal Time Coordinated) bezeichnet, und die anderen Zeitzonen lassen sich bequem durch ihre Abweichungen von UTC angeben. So bedeutet etwa UTC+1 die Zone von 7,5° bis 22,5° und UTC-9 die Zone von 217,5° bis 232,5° (oder von -142,5° bis -127,5°). In Bild 1 sind 12 Zeitzonen zu erkennen, und zwar UTC-5 bis UTC+6 .
Bild 1 Mathematische und nautische Zeitzonen
WEZ = Westeuropäische Zeit, MEZ = Mitteleuropäische Zeit, OEZ = Osteuropäische Zeit
Datumslinie
Man stelle sich vor, dass es in der idealen Zeitzone UTC-4 23:30 Uhr und in der östlich benachbarten Zeitzone UTC-3 00:30 Uhr ist. Dann haben diese Zeitzonen unterschiedliche Wochentage, etwa Dienstag in UTC-4 (z.B. in Manaus, Brasilien) und Mittwoch in UTC-3 (z.B. in Belem, Brasilien). Dies wird in der oberen linken Skizze von Bild 2 dargestellt. Der Kreis steht für die Erde mit den 24 Zeitzonen, vom Nordpol aus betrachtet. Wenn es einen Wochentagswechsel auf diesem Kreis gibt, so muss es zwangsläufig auch einen zweiten geben. Da wir hier noch über ideale Zeitzonen sprechen - nautische und politische Erwägungen werden weiter unten besprochen - ist die Lage des zweiten Wochentagswechsels - genannt Datumslinie - vollkommen beliebig. Will man allerdings bei der mathematisch idealen Aufteilung der Erde in 24 gleich große Zeitzonen bleiben, muss die Datumslinie auf der Grenze zwischen zwei Zeitzonen liegen. Dies wird in Bild 2 oben links dargestellt; dort liegt die Datumslinie (willkürlich) zwischen UTC-12 und UTC+11 , also mitten im Pazifischen Ozean. Das würde bedeuten, dass im anfangs gewählten Beispiel ein Wochentagswechsel nicht nur (z.B.) in Brasilien zu beobachten wäre, sondern auch beim Übergang über den Längengrad 172,5° (wir werden noch sehen, dass ein Sprung von UTC-12 nach UTC+11 heutzutage weder in benachbarten Ländern noch auf hoher See möglich ist). - Links unten in Bild 2 sieht man den Zustand 16 Stunden später; dann ist es in einem Teil der Erde bereits Donnerstag.
Nautische Zeitzonen
Die Seefahrt bedient sich fast vollständig der idealen Zeitzonen. Auf hoher See, d.h. außerhalb der Hoheitsgewässer der Staaten, gelten die nautischen Zeitzonen in den Längengradintervallen (n·15° - 7,5°, n·15° + 7,5°), siehe Bild 1. Dies wurde 1917 zwischen Großbritannien und Frankreich vereinbart und danach international übernommen. Die Vereinbarung legte außerdem - und hier liegt der Unterschied zu idealen Zeitzonen - die Datumslinie auf den 180. Längengrad, also genau in die Mitte einer Zeitzone. Damit waren de facto 25 Zeitzonen geschaffen, da zwar in Gebieten mit UTC+12 die gleiche Uhrzeit gilt wie in Gebieten mit UTC-12 , aber für verschiedene Wochentage. Dies sieht man in Bild 2 oben rechts für UTC 03:30 Uhr. - Rechts unten in Bild 2 sieht man die nautischen Zeitzonen 16 Stunden später.
Bild 2 Links ideale Zeitzonen, rechts nautische Zeitzonen
Politische Zeitzonen
Die Staaten der Erde sind frei in ihrer Wahl der Zeitzone. In der Regel entscheiden sich Staaten für eine Zeitzone oder (bei großer West-Ost-Ausdehnung) für mehrere Zeitzonen, die möglichst gut mit den nautischen Zeitzonen übereinstimmen. Allerdings sind Abweichungen durchaus nicht selten. Manche Staaten haben halb- oder viertelstündliche Abweichungen von UTC (z.B. Iran UTC+3:30 mit Sommerzeit UTC+4:30 , Nepal UTC+5:45 ). In vielen Staaten wechselt man im Sommer in eine benachbarte Zeitzone. In Bild 3 kann man sich die politisch gewählten Zeitzonen in Mitteleuropa und einigen angrenzenden Ländern anschauen (Winterzeit). Länder mit UTC (Westeuropäische Zeit, WEZ ) sind in hellgelb, mit UTC+1 (Mitteleuropäische Zeit, MEZ ) in grün, mit UTC+2 (Osteuropäische Zeit, OEZ ) in rosa markiert. Man erkennt, dass die Länder Mittel- und Osteuropas fast vollständig in der "richtigen" Zeitzone liegen. Dagegen liegen Frankreich, Spanien, die Benelux-Staaten, Weißrussland und Königsberg um eine Stunde "falsch".
Bild 3 Zeitzonen in Europa (Winterzeit)
Quelle: www.astrokramkiste.de/images/pics/mez.gif
Für die Beantwortung der folgenden Fragen ist ein wenig Recherche nötig. Man findet leicht gute Weltkarten mit den aktuellen politischen Zeitzonen. Es geschieht gar nicht selten, dass Staaten ihre Zeitzonen wechseln, z.B. Russland 2014. Deshalb ist auf den Änderungsstand der verwendeten Karten zu achten. Diese Seite und die zugehörige Antwortseite bezieht sich auf den Stand 31.8.2015.
Frage 1
Wir betrachten den 50. nördlichen Breitengrad, der auch durch Deutschland verläuft. Welche politischen Zeitzonen kommen auf diesem Breitenkreis in bewohnten Gebieten tatsächlich vor? Gibt es einen Zeitpunkt, an dem dort rund um den Globus überall gleichzeitig Mittwoch ist?
Frage 2
Gibt es einen Zeitpunkt, an dem in allen bewohnten Gebieten der Erde gleichzeitig Mittwoch ist?
Frage 3
Wann und wo haben verschiedene Regionen zum gleichen Zeitpunkt drei verschiedene Wochentage?
Frage 4
Wann und wo kommt es vor, dass zwei benachbarte Länder zwei Wochentage Unterschied aufweisen?
Frage 5
Es gibt eine Art Wettrennen um den Platz, der als erster Neujahr feiert. Wo liegt er?
Lösung
Kategorie: Geomathematik
Publiziert 2015-09-12 Stand 2014-11-26