Manfred Börgens Mathematische Probleme # 34 |
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Nach der Analysis-Vorlesung stärken sich die Mathematik-Studenten Adam, Carl Friedrich, Gottfried Wilhelm und Leonhard in der Mensa.
Sie mögen alle die gleichen Speisen. Adam steht als Erster an der Kasse und bezahlt für einen Schokoriegel, zwei Bananen und einen Becher Joghurt 1,90 Euro. Hinter ihm kommt Carl Friedrich mit zwei Schokoriegeln, einer Banane und einem Becher Joghurt, er zahlt 1,80 Euro. Gottfried Wilhelm und Leonhard kennen die Einzelpreise für Riegel, Banane und Joghurt nicht, haben aber aufgepasst, was Adam und Carl Friedrich vor ihnen bezahlen mussten. Gottfried Wilhelm (der Dickste der vier) legt für seine fünf Schokoriegel, eine Banane und zwei Becher Joghurt selbstsicher das abgezählte Geld hin, bevor die Kassiererin die Summe ausgerechnet hat (sie stellt fest, es stimmt). Leonhard würde es gerne Gottfried Wilhelm gleichtun, aber er glaubt, dass dies bei seinen zwei Schokoriegeln, zwei Bananen und einem Becher Joghurt nicht geht.
1. Wieviel bezahlt Gottfried Wilhelm?
2. Hat Leonhard recht?
3. Welche allgemeine Gesetzmäßigkeit steckt hinter dem Mensa-Problem?
Hier sind zunächst die Antworten auf die drei Fragen:
1. 3,50 Euro.
2. Ja.
3. Bekannt sind zwei "Mengenvektoren" und die zugehörigen Preise. Für einen weiteren Mengenvektor lässt sich der zugehörige Preis genau dann ausrechnen, wenn dieser Mengenvektor eine Linearkombination der beiden ersten ist.
Wie könnte Gottfried Wilhelm gerechnet haben? Er hat vielleicht erkannt, dass sein Mengenvektor (5,1,2) genau das Dreifache von Carl Friedrichs Mengenvektor abzüglich Adams Mengenvektor ist:
(5,1,2) = 3·(2,1,1) - (1,2,1)
Also muss er 3·1,80 Euro - 1,90 Euro = 3,50 Euro bezahlen.
Wieso geht das bei Leonhard nicht? Bei Gottfried Wilhelm ist sein Mengenvektor eine Linearkombination der beiden ersten Mengenvektoren, wie wir eben gesehen haben. Leonhard kann leicht feststellen, ob das bei ihm auch so ist: Er stellt die Mengenvektoren von Adam, Carl Friedrich und sich selbst zu einer Matrix zusammen und berechnet deren Determinante:
1 2 1
det 2 1 1 = 1
2 2 1
Nur dann, wenn die Determinante gleich Null ist, lässt sich eine Zeile als Linearkombination der beiden anderen schreiben. Gottfried Wilhelm und Leonhard sind als gute Mathematiker natürlich in der Lage, eine 3x3-Determinante schnell im Kopf auszurechnen. Leonhard kann es dann gleich aufgeben, den Preis für seine Speisen ausrechnen zu wollen, wogegen Gottfried Wilhelm, dessen Determinante Null ergibt, weiß, dass er eine Linearkombination finden kann - was ihm ja auch mit Geschick und vielleicht etwas Glück gelingt. (Für den systematischen Ansatz, nämlich die Lösung des Gleichungssystems p·(1,2,1) + q·(2,1,1) = (5,1,2) ist vermutlich an der Mensakasse zu wenig Zeit.)
Es soll noch ein anderer elementarer Rechenweg für Gottfried Wilhelm und Leonhard gezeigt werden. Ausgehend von dem Gleichungssystem für die Einzelpreise x, y, z
x + 2y + z = 190
2x + y + z = 180
erhält man x = (170-z)/3 und y = (200-z)/3 . Setzt man dies in Gottfried Wilhelms 5x + y + 2z ein, erhält man das erwartete Ergebnis 350 (Cent). Beim Einsetzen in Leonhards 2x + 2y + z erhält man (740-z)/3 ; damit kann man nichts anfangen, da z unbekannt ist.
Der allgemeine Lösungsweg geht aus von zwei Gleichungen
a1·x + b1·y + c1·z = d1
a2·x + b2·y + c2·z = d2
Im Sinne der Aufgabenstellung soll dieses Gleichungssystem lösbar sein (denn sonst hätte sich die Kassiererin verrechnet) und die beiden Gleichungen sollen linear unabhängig sein (also nicht eine Gleichung ein Vielfaches der anderen sein), weil sonst das Problem langweilig wäre. Nun wird eine dritte Gleichung hinzugefügt:
a1·x + b1·y + c1·z = d1
a2·x + b2·y + c2·z = d2
a3·x + b3·y + c3·z = ?
In diesem System stellen also die ai, bi, ci die (bekannten) Mengen dar, x, y, z die (unbekannten) Einzelpreise und d1, d2 die (bekannten) Gesamtpreise. Das Fragezeichen steht für das gesuchte d3 .
Ist die Determinante
a1 b1 c1
det abc = det a2 b2 c2
a3 b3 c3
ungleich Null, so lässt sich für das Fragezeichen im Gleichungssystem jedes beliebige d3 einsetzen, jedesmal würde man eine andere eindeutige Lösung für x, y, z erhalten. Ist dagegen die Determinante gleich Null, so erhält man d3 , indem man die letzte Gleichung als Linearkombination der beiden ersten schreibt:
p·(a1,b1,c1) + q·(a2,b2,c2) = (a3,b3,c3)
Daraus berechnet man p und q und damit den gesuchten Wert p·d1 + q·d2 = d3 .
Nun soll noch eine allgemeine Formel für den gesuchten Preis d3 hergeleitet werden (falls die Determinante gleich Null ist). Aus den beiden ersten Gleichungen des Gleichungssystems - die wieder linear unabhängig sein sollen - erhält man erst durch Eliminierung von y , dann durch Eliminierung von x Gleichungen x = f1(z) und y = f2(z) , die sich auch schreiben lassen als:
x = (det bc · z - det bd) / det ab = f1(z)
y = (-det ac · z + det ad) / det ab = f2(z)
Dabei ist det ab die Determinante der Matrix
a1 b1
a2 b2
Entsprechend sind die anderen Determinanten definiert. Diese Auflösung nach x und y geht natürlich nur, wenn det ab nicht Null ist, aber das ist keine wesentliche Einschränkung. Denn mindestens eine der Determinanten det ab, det ac, det bc muss von Null verschieden sein, denn sonst wären die beiden ersten Gleichungen linear abhängig. Durch Vertauschung der Variablen x, y, z kann man also immer erreichen, dass det ab nicht Null ist.
Nun setzt man in die linke Seite der dritten Gleichung a3·x + b3·y + c3·z die eben gefundenen Ausdrücke f1(z) für x und f2(z) für y ein. Eine leichte Umformung ergibt dann
(det abc · z - a3 · det bd + b3 · det ad) / det ab
Nun ist aber det abc = 0 , so dass z aus diesem Term verschwindet; übrig bleibt der gesuchte Wert für d3 :
d3 = (-a3 · det bd + b3 · det ad) / det ab
Geometrische Veranschaulichung
Die beiden Gleichungen für Adam und Carl Friedrich bestimmen
jeweils eine Ebene im Raum. Da beide Gleichungen zusammen lösbar
und linear unabhängig sein sollen, schneiden sich die beiden
zugehörigen Ebenen entlang einer Geraden. Eine dritte Gleichung
(z.B. die für Gottfried Wilhelm oder Leonhard) bestimmt eine
weitere Ebene.
1. Fall (Leonhard): Diese Ebene schneidet die Gerade
in einem Punkt (dann sind alle drei Gleichungen linear
unabhängig). Dieser Punkt ist aber nicht bestimmbar, da d3 unbekannt ist.
2. Fall (Gottfried Wilhelm): Gerade und dritte Ebene
liegen parallel (dann ist die linke Seite der dritten Gleichung eine
Linearkombination der linken Seiten der beiden ersten Gleichungen). Das
Gleichungssystem wird also genau dann lösbar, wenn die Gerade in
der Ebene liegt. Zu dieser speziellen Geraden bestimmt man das
zugehörige d3 .