Manfred Börgens
Mathematik auf Briefmarken  # 74
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Helden

UdSSR 1987   Michel 5757   Scott 5600
Frankreich 1989   Michel 2726   Scott 2162
Ungarn 1919   Michel 263   Scott 200
Frankreich 1958   Michel 1193   Scott 879


Mathematiker als Opfer politischer Gewalt

Muhammad Taragay Ulugh Beg (1394 - 1449)
Marie-Jean Condorcet (1743 - 1794)
Ignác Martinovics (1755 - 1795)
Jean Cavaillès (1903 - 1944)


Ulugh Beg als Mathematiker
Die linke Briefmarke stellt am rechten Rand Ulugh Beg als "usbekischen Astronom und Mathematiker" vor. Sein Vater herrschte über ein riesiges islamisches Reich in Vorder- und Zentralasien und übergab ihm 1409 die Kontrolle über die Stadt Samarkand, um sie zu einem Zentrum der Kultur und der Wissenschaften zu machen. Ulugh Beg begründete dort eine Hochschule und ein Observatorium. Er arbeitete gemeinsam mit al-Kashi, dem besten Wissenschaftler in Samarkand, an mathematischen und astronomischen Problemen. Überliefert sind Ergebnisse u.a. zum Binomischen Lehrsatz, zu Gleichungen dritten Grades, zur ebenen und sphärischen Trigonometrie sowie zur Kalenderrechnung.

Ulugh Begs Tod
Nach dem Tod seines Vaters 1447 konnte sich Ulugh Beg, der einzige Sohn, als Herrscher nicht behaupten. Weder der Adel in seinem Reich noch sein Sohn zeigten Loyalität. An den Grenzen des Reichs kam es zu Überfällen der Nachbarvölker. Ulugh Begs Sturz wurde von seinem Sohn und der Geistlichkeit angestiftet, die ihm (wohl zu Recht) vorwarf, die Wissenschaft über seine Regierungspflichten und die Religion zu stellen. Dies wird durch ein Zitat Ulugh Begs deutlich:
Die Religionen zerstreuen sich wie Nebel, die Imperien zerstören sich selbst, aber die Arbeiten des Gelehrten bleiben für alle Zeiten. Das Streben nach Wissen ist die Pflicht eines jeden Muslims, Mann und Frau.
Ulugh Beg wurde aus Samarkand vertrieben und auf eine Pilgerreise geschickt, auf der er dann festgenommen und ermordet wurde.


Condorcet als Mathematiker
Condorcets voller Name lautete Marie Jean Antoine Nicolas Caritat, Marquis de Condorcet. Er war ein umfassend gebildeter und produktiver Mathematiker und Mitglied der Académie des sciences und der Académie française. Die Hauptwerke Condorcets behandeln die Wahrscheinlichkeitstheorie, die Differential- und Integralrechnung und das Dreikörperproblem. Besonders bekannt wurde er durch die Anwendung der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf Probleme des Wahlrechts; in diesem Gebiet sind die Condorcet-Methode und das Condorcet-Paradoxon nach ihm benannt.

Condorcets Tod
Condorcet war ein überzeugter Republikaner und ein Verfechter der Aufklärung. Er schloss sich der Französischen Revolution gleich bei ihrem Ausbruch 1789 an und wurde 1792 Präsident der Gesetzgebenden Nationalversammlung. In den Richtungskämpfen der frühen Revolutionsjahre schloss sich Condorcet den gemäßigten Girondisten an. Er schrieb Entwürfe für eine Verfassung und für ein nationales Bildungssystem. Dabei trat er für die Gleichstellung der Frauen und die Abschaffung der Sklaverei ein. Nach dem Sturz der Girondisten durch die radikaleren Jakobiner musste Condorcet in Paris untertauchen. 1794 versuchte er, von dort aufs Land zu flüchten. Nach wenigen Tagen wurde er gefasst und eingekerkert. Schon in den ersten Tagen der Haft starb Condorcet unter ungeklärten Umständen.


Martinovics als Mathematiker
Der Ungar Ignác Martinovics wurde 1771 mit 16 Jahren Franziskanermönch und studierte Theologie, Mathematik, Philosophie und Naturwissenschaften. 1783 wurde er ordentlicher Professor an der Universität Lemberg und lehrte dort Mathematik und Naturwissenschaften. 1791 wurde er vom österreichischen Kaiser Leopold II. zum Hofchemiker ernannt. Danach widmete er sich ausschließlich seinen politischen Tätigkeiten.  -  Die oben (als dritte von links) gezeigte Briefmarke ist vermutlich die älteste, die das Porträt eines Mathematikers zeigt.

Martinovics' Tod
Ignác Martinovics entwickelte sich seit seiner Lemberger Zeit zum Revolutionär. Lemberg und sein Heimatland Ungarn gehörten zum großen Reich der Habsburger Monarchie. Martinovics glaubte anfangs an die Möglichkeit politischer Reformen und diente sich dem kaiserlichen Hof in Wien als Spitzel an. Leopolds Nachfolger Franz II. ließ ihn kaltstellen. Martinovics baute dann die ungarische Jakobiner-Bewegung im Geiste der Französischen Revolution auf. 1794 wurde er gefangen genommen. Es half ihm nicht, dass er seine Gefährten denunzierte. 1795 wurde er in Buda hingerichtet.


Cavaillès als Mathematiker
Jean Cavaillès war ein französischer Mathematiker und Philosoph, der während der Weimarer Republik zeitweise an verschiedenen Universitäten in Deutschland studierte. Sein Hauptinteresse galt den Grundlagen der Mathematik wie Mengenlehre und Logik. Cavaillès wurde 1938 Dozent für Logik und Philosophie an der Universität Straßburg und 1941 Professor für Logik und Wissenschaftstheorie an der Sorbonne im bereits von den Deutschen besetzten Paris.

Cavaillès' Tod
Cavaillès wurde 1939 Soldat und war für Chiffrierarbeiten zuständig. Im Juni 1940 wurde er von den deutschen Besatzungstruppen in Belgien gefangen genommen. Schon nach wenigen Wochen gelang ihm die Flucht. Er gelangte nach Clermont-Ferrand, wohin die Straßburger Universität nach der deutschen Besetzung des Elsass ausgelagert worden war. Dort schloss er sich der Résistance an und wurde Mitbegründer der Zeitschrift Libération. Seine Berufung an die Sorbonne scheint von der deutschen Verwaltung unbeachtet geblieben zu sein. Cavaillès widmete sich in Paris unverzüglich dem Aufbau eines geheimen Nachrichtendiensts in Nordfrankreich. Im September 1942 wurde er von der französischen Polizei verhaftet, konnte aber im Dezember 1942 erneut fliehen. Er arbeitete weiter im Untergrund und fuhr 1943 nach London, um Charles de Gaulle zu treffen. Einige Monate nach seiner Rückkehr wurde er verhaftet, von der Gestapo gefoltert und am 17. Februar 1944 in Arras hingerichtet.


Kategorie: Arabische Mathematik



Publiziert 2011-02-09          Stand 2010-10-24


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